Seite:Glueckel 163.jpg

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zu sehen, daß man den mächtigen König Krösus verbrennen soll. Also ist ein großer Scheiterhaufen von Holz gemacht worden, und dabei haben allerhand gebalsamierte Öle und wohlriechende Sachen gestanden, die zugleich mit dem König Krösus verbrannt werden sollten, damit er königlich verbrannt werden sollte. Und der andere König, der Krösus überwunden hatte, der ist im Fenster gelegen und hat zugesehen, daß man den Krösus zu seiner Verbrennung geführt hat. Wie man nun den Krösus also führt, wird er seines getreuen klugen Philosophen eingedenk und daß er ihm gesagt hat, es sollt sich keiner glückselig schätzen, ehe er gestorben ist. Also fängt er bitterlich zu rufen an und zu schreien: »Ach, Solon, wie wahr hast du gesagt, daß sich keiner vor seinem Ende soll glücklich schätzen.«

Der König, der ihm das warme Bad ohne Wasser hat zurichten lassen, ist im Fenster gelegen und hat gehört daß Krösus so bitterlich geredet und geschrien. Also hat er seine Diener, welche bei ihm gestanden sind, gerufen, daß sie flugs laufen und sagen, man soll allsobald den Krösus noch einmal vor den König bringen, welches allsofort geschehen ist.

Wie nun Krösus vor seinen Überwinder kommt, fällt er auf seine Knie. Der König heißt ihn aufstehen, er hätte etwas mit ihm zu reden. Und er fragt ihn: »Mein Krösus, man hat dich in deiner Todesnot geführt, was hast du geredet und so bitterlich geschrien?«

Also erzählt er ihm alles mit seinem Philosophen Solon, wie er seine Rede verachtet und ihn von sich gestoßen, und wie er in seiner Hoffart und in seinen bösen Werken verblieben wäre bis in diesem Augenblick. »Da ich die Todesnot hab vor mir gesehen, da hab ich an meinen getreuen klugen Philosophen gedacht: daß sich soll keiner vor seinem Ende glückselig schätzen. Und aus großen Todesängsten habe ich ihm diese etlichen Worte zugerufen.«

Der König hat dies gnädiglich und voll Erbarmen angehört und gedacht: »Krösus ist einmal auch ein großer

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 163. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_163.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)