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Vaters nach Hannover gezogen und alle Brüder sind auch nach Hannover gekommen und haben meinem Mann – das Andenken des Gerechten gesegnet – geschrieben, er solle auch gleich nach Hannover kommen. Also ist er frühmorgens aufgestanden und nach Harburg gefahren und hat so viele Leute gehabt, wie er zur Gebetversammlung gebraucht hat. Kurz, er hat bis Hannover kein Seelengebet versäumt, obschon es ihn viel Geld gekostet hat. Wie er nach Hannover gekommen ist, hat er das Testament gelesen.

Es ist Wunder zu sehen gewesen, was das mit Gottesfurcht und Weisheit ein Testament gewesen ist. Also haben sie erzählt, was für einen Tod mein Schwiegervater – das Andenken des Gerechten gesegnet – eingenommen hat, mit großer Weisheit, »sanft wie durch einen Kuß«, wie denn alle seine frommen Kinder so gestorben sind.

Den Nachlaß, den mein Schwiegervater – das Andenken des Gerechten gesegnet – hinterlassen hat, haben sie, wie im Testament bestimmt war, verteilt. Keiner hat gegen den anderen ein ungebührlich Wort geredet. Mein Mann – das Andenken des Gerechten gesegnet – ist nur acht Tage in Hannover gewesen und hat seine liebe Mutter getröstet, so gut er gekonnt hat. Obzwar er seine Mutter sehr darum gebeten hat und sie gern mit nach Hamburg genommen hätte, so hat die fromme Frau doch mit keinem Gedanken gewollt und wollte sich von ihrem frommen, redlichen Mann nicht trennen, nicht im Leben und nicht im Tod. Zwei Jahre danach ist sie auch gestorben und bei ihrem Mann zu Grab gekommen. Sie ist eine Frau von zweiundachtzig Jahren gewesen. Kurz, das ist ein so liebes, gesegnetes Ehepaar gewesen, wie man ihresgleichen nicht findet. Gott – er sei gepriesen – wolle uns ihr Verdienst genießen lassen. Und Gott gebe, daß wir unsere Jahre in so gutem Alter zugebracht hätten. Aber es hat dem Höchsten anders gefallen. Nach dem ist mein Mann – das Andenken des Gerechten gesegnet – nach Amsterdam gereist und es ist ihm eine Heirat mit meinem späteren Schwiegersohn Moses Krumbach vorgeschlagen worden.

Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 170. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_170.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)