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genommen. Nicht nur all seine Waren und all seine Wechsel, sondern auch die zwei Päckchen mit Waren, und es ist ihm und uns kein Heller geblieben. Und was noch mehr: Mein Sohn ist einem Kaufmann tausend Reichstaler schuldig gewesen, wofür er ihm Wechsel auf Hamburg hat geben sollen. Aber der Kaufmann ist das alles gewahr worden, er wollte nicht von ihm weichen und wollte ihn in Berlin ins Gefängnis legen lassen. Was hat mein Sohn tun sollen? Sein Schwiegervater hätte ihn im Gefängnis verrotten und verfaulen lassen, ehe er ihm mit hundert Reichstaler geholfen hätte, geschweige mit tausend Reichstaler. Da hat Reb Löb mit dem Kaufmann geredet: »Du siehst ja wohl, daß hier nichts zu bekommen ist, ich will mit dir nach Hamburg ziehn. Meine Mutter und Brüder werden mich nicht verlassen. Du kannst mich ja in Hamburg auch gefangen nehmen.«

Und mein Sohn Reb Löb schreibt gleich an mich: »Ich werde Freitag bei dir sein. Ich kann dir die Ursach nicht schreiben. Ich werde dir alles mündlich sagen.«

Den Brief habe ich einen Tag vor seiner Ankunft bekommen. Man kann wohl denken, wie mir zumute gewesen ist, und daß ich mir nichts Gutes einbilden konnte, da ich wohl gewußt hab, daß ihm sein Schwiegervater alles genommen, daß er in Hamburg Schulden gehabt und nichts zum Bezahlen gehabt hat. Aber ich bin bald aus dem Traum gekommen. Am Freitag früh hab ich einen Boten gekriegt, mein Sohn Reb Löb wär in dem Kaufmann seinem Haus, ich oder eines von meinen Kindern sollten zu ihm kommen. Ich hab mich maßlos erschreckt und konnte beinahe keinen Schritt gehn. Mein Sohn Reb Mordechai ist zu ihm gegangen und hat mir die bittere, betrübte Zeitung gebracht. Nun habe ich mich mit meinem Schwager Reb Josef und mit meinem Schwager Reb Elia beraten, was hierbei zu tun ist. Wenn es länger währt und andere Kreditoren es gewahr werden, ist er einfach verloren. Endlich sind wir dabei verblieben, man soll tausend Reichstaler von der Erbschaft nehmen, um ihn aus des Kaufmanns Händen zu retten. Und er soll bei dem Kaufmann im Haus bleiben bis gegen Abend und dann bis

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 211. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_211.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)