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Frieden – ist hier in Hamburg auf Zinsen geblieben und die Mitgift des Bräutigams ist in Berlin auch bei vertrauenswerten Menschen auf Zinsen gelegt worden.

Obschon ich mit schlechter Freude zu der betrübten Hochzeit gezogen bin, von wegen meines Sohnes Reb Löb, da ich gewußt habe, daß ich schlechte Vergnüglichkeit dort finden werde, und zum anderen, daß mir die Heirat gar zuwider ist gewesen. Aber leider ist das Ende noch ärger gewesen als der Anfang, wie weiter folgen wird.

Also bin ich mit meiner Tochter – sie ruhe in Frieden – zur Hochzeit nach Berlin gezogen und bin bei meinem Sohn Reb Löb zu Gast gewesen. Obschon mir sehr weh gewesen ist, denn leider hab ich wenig Vergnüglichkeit von meinem Sohn gehabt, hab ich mich doch überwunden, mich um nichts gekümmert und gedacht, ich will mir die Freude meines Kindes nicht verstören. Soll ich nun schreiben von dem Zustand von meinem Sohn. Daß sich Gott erbarme! Was soll ich viel schreiben? Er hat nebbich genug das Seinige getan, ist gelaufen und gerannt, aber, wie schon erwähnt, obschon mir mein Herz im Leib wirklich zersprungen ist, hab ich mir meinen Kummer doch nicht ansehn lassen wollen.

Also ist die Hochzeit in Lust und Freude beendet worden und mit allen Ehren. Der reiche Reb Juda Berlin und seine Frau und sein ganzes Haus haben uns die Ehre erwiesen und sind auf der Hochzeit gewesen, so daß sich alle Welt darüber gewundert hat. Sie sind nämlich nie auf einer Wiener Hochzeit gewesen. Auch haben sie der Braut ein vornehmes Geschenk zur Aussteuer gegeben. Nach der Hochzeit haben sie uns den Bräutigam und die Braut eingeladen und uns gar eine vornehme Mahlzeit gemacht.

Nun, wie das vorbei gewesen ist, haben wir uns wieder gerüstet, nach Hause zu gehn. Aber mit solchem Elend und Schwermut, weil ich leider den schlechten Zustand von meinem Sohn Reb Löb hab vor mir gesehen. Dennoch habe ich mir allein die Hoffnung gemacht, vielleicht wird sich Gott – er sei gepriesen – erbarmen und wird ihm wieder helfen, daß er wieder zurechtkommen wird.

Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 214. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_214.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)