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Sechstes Buch.

Hiermit will ich mein sechstes Buch anfangen, in welchem ich vermeint habe, all meine Vergnüglichkeit zu finden und mich in solchen Stand zu setzen, den ich zwar ganze zehn[1] Jahre gemieden habe, obwohl mir doch viele Partien vorgeschlagen worden sind, wirklich die vornehmsten in ganz Deutschland.

Aber so lang ich gekonnt habe und mir deuchte, daß ich mit dem Meinigen, was mir mein Mann – das Andenken des Gerechten gesegnet – gelassen, mich ernähren kann, ist mir nicht in den Sinn gekommen mich zu verändern. Aber ob der Höchste meine vielfältigen Sünden gesehen hat, daß er mir nicht in den Sinn gegeben, einen Mann zu nehmen, als mir Partien vorgeschlagen gewesen sind, durch die ich mit meinen Kindern hätte glückselig sein können, und mich auf meine betrübte Arbeit im seligen Alter hätte können in geruhigen Stand setzen – so ist alles dem großen gütigen Gott nicht gefällig gewesen. Sicher hat er mich kraft meiner Sünden zu dieser folgenden Partie resolvieren gemacht, wie in folgendem ein mehreres folgen wird.

Und bei dem allem dank und lob ich doch meinen Schöpfer, der mir mehr Gnade und Barmherzigkeit in meiner hohen Strafe bewiesen hat, mehr als ich unwürdige Sünderin würdig und wert bin. Und der große Gott, der mir die Gnade und Barmherzigkeit gibt und mich bei all meinen Nöten zur Geduld führt, den lob und dank ich ewiglich,

  1. Im Text steht »vierzehn«, was offenbar falsch ist. Chajim Hameln war 1689 gestorben und wie aus dem folgenden hervorgeht, fand die zweite Eheschließung 1700 statt und die Tochter Mirjam war damals 11 Jahre alt.
Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 257. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_257.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)