Seite:Glueckel 277.jpg

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Leser. In Frankfurt hab ich Reb Liebermann von Halberstadt gefunden, welcher von Halberstadt nach Metz gezogen ist, um seinen alten frommen Vater Reb Abraham Speyer zu besuchen, auch den Arzt Reb Hirz, welche mit mir in Gesellschaft nach Metz gefahren sind. Also haben wir gar eine hübsche Reise gehabt.

Zwei Meilen bevor wir nach Metz gekommen sind, hat mein Mann seinen Schreiber zu Pferd geschickt. Er ist neben unseren Wagen geritten, bis wir in das Hospizhaus gekommen sind. Da hat er allerlei Eßwerk und Gebäck bei sich gehabt, so viel er auf seinem Pferd fortbringen konnte. Dieser Schreiber, Lämmle Wimpfen, hat seine Komplimente von seiten meines Mannes überbracht. Nachdem wir gegessen und getrunken hatten, sind wir nach ungefähr zwei oder drei Stunden fortgereist und der abgesandte Lämmle ist nachts bei uns geblieben. Aber ehe wir uns haben zur Ruhe begeben wollen, hat er von uns Abschied genommen. Er müßte zu guter Zeit in Metz sein und jener Ort, wo wir gelegen sind, ist keine fünf Stunden von Metz gewesen. Gott – er sei gelobt – weiß es, daß, obschon ich alles herrlich und gut und nach dem Schein in Reichtum vor mir gesehen habe, und besonders die Briefe von meinem Mann voller Ehrfurcht und Vergnüglichkeit geschrieben waren, so bin ich doch nicht ohne Schwermut gewesen; ob mir mein betrübtes Herz das Ende zugetragen hat, oder ob es mir doch weh gewesen, daß ich mich wieder zu einem anderen Mann begeben sollte. Aber die Betrachtung ist viel zu spät gewesen. Also hab ich müssen meinem Unmut und meinem bekümmerten Herzen großen Zwang antun, um solches zu verbergen.

Als wir nun am Freitag, am Vorabend des heiligen Sabbat, am 22. Siwan 1700, eine Stunde vor Metz gekommen sind, so sehen wir, es kommt der Schreiber Lämmle Wimpfen geritten und noch einer bei ihm neben einer Kutsche, worin gesessen sind die vornehme Frau des Oberrabbiners von Metz und die vornehme Rabbinerin, die Frau des Vorsitzenden des Rabbinerkollegiums Reb Ahron und die reiche

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 277. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_277.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)