Seite:Glueckel 283.jpg

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Auch hab ich gesehen, daß der Mann ein großes Geschäft führt und gar richtig in seinen Sachen ist, und daß keiner, der Geld von ihm hat haben wollen, zweimal gekommen ist, um ihn zu mahnen, und daß er alles gleich mit dem größten Respekt bezahlt hat. Alle Leute, Juden und Nichtjuden, haben ihm an allen Plätzen Kredit gegeben und er hat ein großes Stück Geld in der Gasse verliehen gehabt.

Zudem hat man ihn für einen so zuverlässigen und sicheren Mann gehalten, daß, wer etwas gehabt hat, was er an einem sicheren Platz verwahren wollte, der hat es meinem Mann gegeben. Wie auch mein Schwiegersohn Moses selbst einige Wochen, bevor ich hierher gekommen bin und er nach Paris ziehen mußte, hat er alles, was sein war, genommen, und hat es während seiner Abwesenheit meinem Mann zu verwahren gegeben. Er hat solches lieber bei meinem Mann als bei seinem Vater gehabt. Denn nicht allein daß man meinen Mann für reich gehalten hat, man hat ihn auch für einen sehr vertrauenswürdigen und ehrlichen Mann gehalten, daß ich also wenig zu zweifeln gehabt, daß ich nicht nach Wunsch gut angekommen wäre.

Mein Mann hat in der Nacht gar viel gestöhnt und ich habe ihn unterschiedlichemale gefragt, was ihm fehlt und warum er so stöhnt. Hat er gesagt, daß ihm nichts fehlt, das wäre so seine Natur und Gewohnheit. Ich habe auch die Kinder und meine Schwägerin Freudchen gefragt, was das bedeutet, denn ich habe mir anfangs eingebildet, weil die ganze Welt gesagt hat, daß er mit seiner ersten Frau so gar gut gelebt hat, er selbe noch nicht vergessen könnte. Aber sie haben mir alle gesagt, daß sie solches wohl an ihm gewohnt wären und daß er solches bei Lebzeiten seiner ersten Frau auch getan hätte. So hab ich mich zufriedengegeben. Zu Zeiten hat es mich verdrossen, aber ich hab nicht gewußt, daß hinter seinem Stöhnen solche Sorgen stecken. Sein Schlafen und sein Essen ist gar unruhig gewesen.

Wie ich nun ungefähr acht Wochen hier gewesen bin, ist meine Tochter Esther zu gutem mit einem Sohn

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 283. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_283.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)