Seite:Glueckel 289.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Obzwar ich mit dem Sohn viel Widerwärtigkeiten und Elend ausgestanden habe, so ist mir sein Tod doch sehr beschwerlich und sauer angekommen, und das ist natürlich von Eltern. Man kann von dem frommen König David – er ruhe in Frieden – dieses lernen, daß ihm sein Sohn Absalon gar viel Böses und Herzeleid angetan hat, und da man mit ihm hat Krieg führen sollen, hat er allen seinen Leuten befohlen, ihm den Absalon zu schonen. Und wie er gewahr geworden ist, daß er ums Leben gekommen ist, was hat er da um seinen Sohn Absalon Jammer getrieben und siebenmal gerufen: »Absalon, mein Sohn!« Dadurch hat er seinen Sohn aus sieben Staffeln aus der Hölle gebracht und ihn in den Garten Eden gebracht.

Also verzeihe ich auch diesem meinem Sohn vom Grund meines Herzens alles, was er an Knabenstreichen begangen hat und sich leider hat verführen lassen. Er ist der beste Mensch von der Welt gewesen und hat gut gelernt; auch hat er so ein jüdisches Herz gehabt für arme Leute, daß sein Gutestun weit und breit bekannt war. Aber leider ist er in seinem Geschäft gar zu liederlich gewesen, und solches haben böse Leute an ihm bemerkt und haben ihn leider um das Seinige gebracht. Nun will ich ihn ruhen lassen und bitte meinen Gott, er wolle ihn das Verdienst der Voreltern genießen lassen.

Was soll oder kann ich tun? Ich muß zu ihm, wenn es Gottes Wille ist, und er kommt nicht zu uns, denn es hat dem allmächtigen Gott nicht gefallen, mich frühzeitig vor meinem frommen, reinen Mann Reb Chajim Hameln hinwegzunehmen, der zwar seinem Alter nach noch wohl hätte leben können, aber »vor dem Bösen ist der Gerechte hinweggerafft worden«, daß er nicht erleben sollte so viel Sorge und Kummer auszustehen. Er – er ruhe in Frieden – ist in Wohlstand gestorben und hat an seinen Kindern nur Gutes gesehen. Nun, was soll ich dessen viel gedenken? Ich habe dessen genug gedacht. Also will ich hiermit mein sechstes Buch schließen.

Gott der Allmächtige möge weiter auf alle Meinigen und ganz Israel keinen Kummer schicken, und wenn wir

Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 289. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_289.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)