Seite:Glueckel 292.jpg

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gestorben. Also hat der gute junge Mensch auch ihre Jugend bis allher nebbich miserabel zugebracht. Was soll man sagen? »Wer kann sagen, was tust du?«

Ich mag weiter nichts davon erwähnen, denn es ist mir zu viel Herzeleid. Nun bin ich ungefähr hier ein Jahr gewesen und habe vermeint, daß ich nun vergnüglich leben könnte, wie ich auch nach dem Anschein ein wenig gedacht habe. Wenn mein Mann – sein Andenken sei gesegnet – noch ein paar Jahre sich hätte können halten, so hätte er sich – er ruhe in Frieden – genügend können herausreißen. Denn zwei Jahre nachdem er – er ruhe in Frieden – all das Seine hat müssen seinen Kreditoren geben, ist in Frankreich solcher Handel gewesen, so daß die ganzen Gemeinde reich geworden ist. Er ist ein sehr kluger Mann und ein großer Kaufmann gewesen und gar wohl gelitten bei Juden und Nichtjuden. Aber Gott – er sei gepriesen – hat solches nicht haben wollen. Seine Kreditoren haben gar sehr in ihn gedrungen, so daß er – er ruhe in Frieden – hat müssen zur Seite treten und denselben alles, was sein war, hat überlassen müssen. Wenn sie auch nicht die Hälfte von dem, was er ihnen schuldig war, bekommen haben, so sind sie doch sehr gütig mit ihm gewesen. Obschon ich selbst aus meinen Ehevertrag Ansprüche erhoben habe, so habe ich doch selbst gesehen, daß nichts zu kriegen gewesen ist.

Er – er ruhe in Frieden – hat von meiner Tochter Mirjam, sie lebe, all ihr Geld in Händen gehabt; solches habe ich aber von ihm bekommen in anderen Schuldbriefen auf Glaubensgenossen. Aber wie sauer und schwer es mir geworden ist, das weiß Gott – er sei gelobt und sein Name sei gelobt.

Auch hat mein Sohn Nathan einige Tausend zu fordern gehabt, die habe ich auch zu bekommen getrachtet und dadurch nicht an meinen Ehevertrag gedacht und mit allem vorlieb genommen, was mir Gott – er sei gelobt – geschickt und getan als wie der Adler, der seine Kinder auf

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Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 292. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_292.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)