Seite:Glueckel 311.jpg

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Die Frau mit ihrem Kind ist gerettet worden. In diesem Augenblick hat Lärm und Schreck so angefangen, daß alle die Weiber aus der obersten Synagoge heruntergelaufen sind, eine ist auf die andere gefallen und sie haben sich nicht regen können. Also hat leider eine die andere zerquetscht und sie sind auf der Treppe gelegen, als wenn sie zusammengeklebt wären. Mein Schwiegersohn der Vorsteher Reb Moses Krumbach hat auch gehen wollen und hat zu den Weibern gesagt, warum sie nicht von der Stiege heruntergehn. Da haben sie nebbich geschrien, sie könnten nicht heruntergehn, die Treppe werde unter ihnen zerbrechen, wenn auch nichts in der Welt an den Treppen gebrochen gewesen ist. Nur Angst und Furcht hat ihnen leider alles vorgespiegelt. Die Frau Esther mit ihrem Kind ist gerettet worden. Mit großer Mühe und Anstrengung hat man sie mit ihrem Kind unter den anderen heruntergekriegt, wenn auch die erwähnte Frau mehr tot als lebendig gewesen ist, wie es sich auch gezeigt hat, daß sie eine Fehlgeburt getan hat. Sie hat so viele Stöße bekommen, daß die Aerzte und Balbierer über drei Monate zu ihr gegangen sind. Mit dieser Frau hab ich, Mutter, selbst geredet und sie hat mir geschworen, es wäre nicht anders als wie sie mir erzählt. Ihr Mann war auch Zeuge dafür und ebenso ihr Vater und ihre Mutter, daß sie also sofort gleich erzählt hat. Auch sind vornehme Leute und Schriftgelehrte zu ihr gegangen und sie hat solches bei ihrem Eide ausgesagt, und sie und ihr Mann wie auch ihr Vater und ihre Mutter sind fromme, ehrliche Leute, von denen man hier in der Gemeinde keine Lüge oder Widerwärtigkeiten gehört hat.

Wiederum war es ungefähr zur Zeit dieser Geschichte in der Nacht. Ein vornehmer Hausvater hier, namens Jakob Krumbach, der hat sein Haus dicht bei dem Bethaus gehabt. Also hat seine Frau im Bethaus einen großen Lärm gehört, als wenn Diebe im Bethaus wären und alles herausnehmen, und als wenn im Bethaus Leuchter gefallen wären. Da hat die Frau ihren Mann aufgeweckt und gesagt: »Um Gottes willen, hörst du nicht, wie ein Lärm im Bethaus

Empfohlene Zitierweise:
Glikl bas Judah Leib: Die Memoiren der Glückel von Hameln. Wien, 1910, Seite 311. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Glueckel_311.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)