Seite:Grimms Märchen Anmerkungen (Bolte Polivka) I 065.jpg

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Mélanges 1, 185. Wesselski, Nasreddin 1, 189 nr. 328), Basset, Nouveaux contes berbères p. 166 nr. 119 ‘Part à deux’, Christian, Behari proverbs 1891 nr. 294, Büttner 1894 S. 86, Meißner, Mitt. des or. Seminars 8, 76.[1]

Auch der fünfte Streich des Bauern, der dem Juden nicht eher zum Könige folgt, als bis er ihm einen Rock geliehen hat, darauf dies vor dem Könige ableugnet und dadurch dessen Klage unglaubwürdig macht, ist schon seit dem 15. Jahrhundert literarisch fixiert. So erklärt in einer italienischen Novelle des Sabadino delli Arienti (Le Porretane 1483 nr. 20) Messer Lorenzo Spazza, der sich von seinem Gläubiger einen Mantel geborgt hat, um vor Gericht erscheinen zu können, jener bilde sich seit einiger Zeit ein, alles gehöre ihm: ‘So zum Beispiel fragt ihn einmal, wem der Mantel gehört, den ich hier trage! Gleich wird er sagen, er gehöre ihm.’ Als der Gläubiger natürlich so antwortet, wie der Verklagte vorausgesagt hat, hält ihn der Richter für verrückt und läßt ihn in Gewahrsam legen. Ebenso Timoneda, Patrañuelo 1576 nr. 18. Schauplatz der Betrüger 1687 S. 550 nr. 427 ‘Der übel bezahlte Jud’. Bei De Mont en de Cock, Vlaamsche Vertelsels S. 277 verbunden mit dem Schwanke von der dem Geistlichen geschenkten Kuh (Montanus, Schwankbücher S. 629). Dagegen hat in der französischen ‘Farce des deux savetiers’ (Fournier, Le théatre français avant la renaissance 1872 S. 210) der reiche Schuster das Geld dem armen nicht einfach geliehen, sondern ihm zum Scherze zugeworfen, als jener vor dem Altar kniend Gott um hundert Taler anflehte;[2] der Arme behält die Summe als ein Geschenk Gottes, desgleichen den Rock, den der Reiche ihm geliehen, damit er anständig vor Gericht auftreten könne. Mit dieser Einleitung wird der Streich oft erzählt;


  1. In einer mingrelischen Anekdote (Sb. Kavkaz. 18, 3, 32) gibt sich ein wegen versuchten Diebstahls zum Kaiser geführter Mann beim Minister für einen Bittsteller aus, muß dem Minister zwei Drittel des Geschenkes versprechen und erbittet nun vom Kaiser drei Ohrfeigen. Draußen versetzt er dem Minister zwei Ohrfeigen.
  2. Vgl. Toldo, Das vom lieben Gott geschenkte Geld und der geliehene Mantel (Zs. f. Volkskunde 13, 420–426). Die Gebetserhörung wird auch bei den Dänen (Kristensen, Jyske Folkeminder 9, 229. Skjämtesagn S. 103) und Rumänen (Archiv f. siebenb. Landeskunde n. F. 33, 523) erzählt. Aus Poitou: Revue des trad. pop. 6, 143 ‘Les cent éthius.’
Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 65. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_065.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)