Seite:Grimms Märchen Anmerkungen (Bolte Polivka) I 502.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Nochmeittichs wiel ich traurich stien,
Wo olle Lait vorieba gohn,
Diett wiel ich inde traurich stohn.’

In einem andern Volksliede (Wunderhorn 4, 291 = Erk-Böhme nr. 10b) weint eine Königin sieben Jahre um ihren erschlagenen Gatten und wird darauf zu einer blauen Blume:

Gott strafte sie fest, Gott strafte sie hart,
Daß sie zu einer Blume ward.
Vormittags blühte sie helleblau.
Nachmittags blühte sie dunkelblau,
Er ließ sie stehen bei Regen und Schnee,
Wo alle Leutchen vorübergehn.

Nach einer stark ausgeschmückten böhmischen Sage in Hormayrs Taschenbuch für vaterländ. Geschichte 3, 249 (1822) gewahrt Czekanka (Wegwarte), die Tochter des Zauberers Batir, in ihrem Spiegel, daß ihr Geliebter von einem Nebenbuhler im Altvaterwalde ermordet ist, ersticht sich an der Leiche und wird zu einer Wegwarte. Ähnlich bei Joh. Müller, Wanderungen in den Hallen der Vorzeit (Znaim 1831), Bohemia oder Unterhaltungsblätter 1831 nr. 135 (das Mädchen wartet auf ihren im Türkenkriege gefallenen Liebsten) und čechisch bei K. Amerling (Entstehung der Wegwarte, Distel und Espe) sowie bei Mikšíček 2, 222 und in Menšíks Mährischen Märchen und Sagen S. 357 nr. 35; vgl. V. Tille, Čes. poh. do r. 1848 S. 27. Volksmäßig scheint nur ein Bruchstück von der vergessenen Braut aus der Gegend von Taus zu sein (Slavia 1, 4, 5). Ähnlich wird in Oberösterreich von einem Mädchen erzählt, das die Mutter unmäßig betrauerte und der Jungfrau Maria auf ihre Tröstung erwiderte: ‘Eh ih thue’s Woan áfhe’n, wül ih liebár zará Wögwart wên’ (Baumgarten, Linzer Musealbericht 22, 150). Von dieser blauen Wegwarte (Cichorium Intybus), die im kuhländischen Liede Armesünderblume heißt, weiß schon Hans Vintler im Buch der Tugend (ed. Zingerle 1874 v. 7838):

und vil die jehent, die wegwart
sei gewesen ain frawe zart
und wart irs puelen noch mit smerzen.

Bei Panzer 2, 204 wird die um den untreuen Liebhaber trauernde Königstochter eine weiße, ihre Jungfrauen aber blaue Wegwarten. Vgl. Grohmann, Aberglauben aus Böhmen S. 100. Grimm,

Empfohlene Zitierweise:
Johannes Bolte, Jiří Polívka: Anmerkungen zu den Kinder- und Hausmärchen der Brüder Grimm I. Dieterich’sche Verlagsbuchhandlung, Leipzig 1913, Seite 502. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Grimms_M%C3%A4rchen_Anmerkungen_(Bolte_Polivka)_I_502.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)