Seite:HansBrassTagebuch 1936-08-05 001.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Mittwoch, d. 5. August 1936.

     Sonntag in Müritz. Wir lernten den Pfarrer flüchtig kennen, der seit ich hier bin, Sonntags das Hochamt hält und gut predigt, überhaupt ein sehr netter Mann ist, leider schrecklich dick. Seinen Namen kenne ich nicht, er muß wohl einen langen Urlaub haben, daß er so lange schon dort ist. –

     In den Tagen um den 1. August wurde es sehr leer in Ahrenshoop, wahrscheinlich, weil am 1. August in Berlin die Olympiade begann. Inzwischen sind aber neue Menschen gekommen u. die Sorge Marias um den Ertrag ihres Geschäfts ist wieder etwas behoben. Leider ist das Wetter dauernd schlecht, kalt, regnerisch, stürmisch. –

     An Herrn Maßmann, den Beamten aus Barth, habe ich einen eindringlichen Brief geschrieben, um ihm den Gedanken nahe zu bringen, Hilfe für seinen verzweifelten Seelenzustand in der Religion zu suchen. Möge Gott helfen.

     An einem Abend hatte ich eine lange Unterredung mit Frl. Schmidt, welches jene Angestellte ist, die wir vor bald 14 Tagen mit nach Müritz genommen hatten. Sie hat eine jüngere Schwester, welche sich mit einem Protestanten verlobt hat, die ganze Familie ist darüber sehr in Sorge. Fräulein Sch. hat mir die Verhältnisse dargelegt. Der Mann wohnt in Berlin. Mir scheint die Schwierigkeit nicht sehr groß zu sein, da es den Anschein hat, als hätte der Mann den besten Willen u. wäre bereit, zum Katholizismus überzutreten. Ich habe ihr versprochen, mich dieser Sache in Berlin nach Möglichkeit anzunehmen.

     Die Zeitungen u. Zeitschriften sind angefüllt mit Berichten über die Olympiade, – etwas anderes scheint in der Welt nicht mehr zu existieren, Berlin scheint in einem Taumel zu sein. Niemand achtet auf den blutroten Hintergrund des spanischen Bürgerkrieges, vor dem sich diese Olympiade abspielt. Man redet vom Fest des Friedens u. der Völkerversöhnung, es ist wie offener Hohn. Heute sah ich in der Berl. Illustrierten Ztg. Bilder aus Spanien, wo die Kommunisten die Särge eines Nonnenklosters erbrochen haben u. die Gerippe auf den Stufen des Kirchenportals aufgestellt haben. Und in Berlin feiert man die Olympiade als Fest des Friedens u. der Versöhnung. Es ist wie der Totentanz Europas. Vor den Toren stehen die Bolschewisten, bereit, Europa zu zerschlagen. Es ist wie das hereinbrechende Gottesgericht, – aber es wird lange dauern. Gott sei uns allen gnädig. –

     Von den deutschen Kriegsrüstungen ahnt man mehr, als wie man sieht u. hört. Hier gleich neben Ahrenshoop sind die versenkten Geschützstände auf dem Hohen Ufer fertig, ebenso die neuen Wasser= u. Landflugplätze in der weiteren Umgebung. Die Flugmaschinen, einzeln u. in Geschwadern, sausen über unseren Köpfen. Von England liest man, daß es unter gewaltigem Kostenaufwand für den Krieg rüstet u. heute las ich, daß es seinen Goldbestand seit einem Jahre fast verdoppelt hat, obgleich das englische Pfund keine Goldwährung ist. Von Belgien las ich kürzlich, daß es seinen letzten Jahrgang nicht aus der Armee entlassen habe. Frankreich u. Rußland können nicht mehr rüsten, als sie es schon getan haben. Italien ist hochgerüstet noch von seinem abessinischen

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1936-08-05. , 1936, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1936-08-05_001.jpg&oldid=- (Version vom 4.4.2024)