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hat es auch den Polen dasselbe u. vielleicht noch viel mehr versprochen. Das alles muß dann bereinigt werden u. man wird den Russen nicht so viel Macht einräumen, wie man es bei uns in den Zeitungen aus Propagandagründen schreibt. Stalin weiß das ganz genau u. deshalb läßt er seine Bundesgenossen in Casablanka ruhig verhandeln, um inzwischen seine Offensive möglichst weit vorzutreiben u. möglichst viel Land zu besetzen. –

     Unser Ortsgruppenleiter, Lehrer Deutschmann, sagte mir gestern vertraulich, daß am 30. Januar, am Tage der Machtübernahme der Nazis vor 10 Jahren, wieder verstärkt gesammelt werden soll. Wir haben in diesem Monat schon 60,– Rm. für diese Sammlungen hergegeben. Die Ortsgruppenleiter sollen zur Hebung der Begeisterung drei Tage lang in Uniform umherlaufen, – der Lehrer tut es aber nicht, weil er sehr richtig annimmt, daß das das Gegenteil bewirken würde. Sehr gespannt sind wir alle auf die Rede Hitlers, die am 30ten fällig ist. Ich fürchte, daß das Dröhnen der amerikanischen Flugzeugmotoren diese Rede sehr übertönen wird.

     Gestern waren Frau Schmidt=Kükenshagen u. ihre Tochter Frau Schönherr hier. Frau Schmidt sah sehr elend aus, ihr ältester Sohn ist gefallen. Der Mann von Frau Schönherr ist Oberleutnant u. fliegt oben am Nordkap.

Freitag, den 29. Januar 1943.     

     Heute vor 22 Jahren lernten Martha u. ich uns kennen. Diesen Tag begehen wir noch immer festlich; aber diesmal ist Martha krank u. ich mache mir Sorge. Sie klagt schon seit Tagen über Kopfschmerzen, die zwar besser werden, aber dann wieder zurückkehren. Gestern Abend sah sie schlecht aus u. heute früh hat sie ein verquollenes Auge. Vor einigen Wochen hat sie schon einmal etwas Aehnliches gehabt, doch ging es leicht vorüber. Jetzt bin ich in Sorge u. habe eben mit Dr. Meyer telephoniert. Er wird kommen, wenngleich der Weg so schlecht ist, daß er mit seinem Wagen nicht bis zu uns durchkommt, er muß das letzte Stück zu Fuß gehen. Wenn hier einer ensthaft krank wird, kann er sein Testament machen, ein Abtransport ins Krankenhaus ist kaum möglich.

     Heute morgen wurde im Radio bekannt gegeben, daß sich alle Männer im Alter von 16 – 65 Jahren u. alle Frauen im Alter von 18 – 45 Jahren bei ihren Arbeitsämtern zu melden haben zum Einsatz in der Kriegswirtschaft. So weit sind wir nun also schon gekommen. Wenn man mich auch holt, dann bleibt nichts anderes übrig, als das Geschäft ganz zu schließen, denn es ist ausgeschlossen, daß Martha das Geschäft allein versieht. Es ist das aber die allerletzte Reserve, die aufgeboten wird, danach kommt nichts mehr als der völlige Zusammenbruch. Stalingrad ist das Exempel. Die Nazis verteidigen ihre Position bis zum letzten Deutschen.

     Diese Sache wird reichlich Wasser auf die englische u. amerikanische

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Hans Brass: TBHB 1943-01-28. , 1943, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-01-29_001.jpg&oldid=- (Version vom 25.4.2024)