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Propagandamühle abgeben u. die Siegeszuversicht unserer Gegner wird dadurch einen gewaltigen Auftrieb bekommen, – u. mit Recht. Die russische Offensive berichtet ebenfalls von neuem Geländegewinn westlich Woronesch, wo wir einen Brückenkopf hielten, den sie freiwillig aufgegeben haben, um „die Front zu verkürzen“. Es wird sich zeigen, ob wir hier die verkürzte Front halten werden. Auch im Süden, zwischen Don u. Kaukasus, hält der russische Druck an, wenngleich es auch so aussieht, als wäre es uns östlich Rostow gelungen, die Russen aufzuhalten, wenigsten so lange, bis wir diesen ganzen Südflügel geräumt haben werden. Wenn das jedenfalls nicht gelingen sollte, dann wäre dieser Südflügel restlos verloren. Durch seinen doppelten Angriff auf Stalingrad u. den Kaukasus hat uns das Feldherrentalent des Herrn Hitler in eine strategisch so gefährliche Situation hineinmanövriert, daß es unmöglich ist, ohne großen Schaden da wieder herauszukommen. –

     Amerikanische Flugzeuge haben vor drei Nächten Wilhelmshaven bombardiert u. gleichzeitig griffen englische Flugzeuge wieder einmal Düsseldorf an, das so wie so schon nur noch ein Trümmerhaufen ist wie Rostock. Das ist also von jetzt ab das, was wir zu erwarten haben. Während bisher die Engländer stets nur eine Stadt angriffen, werden von nun an die Amerikaner u. Engländer je eine Stadt angreifen, sodaß sich also die Luftgefahr um 100% vermehren wird, wenn nicht noch mehr, denn auch ein Rüstungswerk in Kopenhagen ist zugleich mit Bomben belegt worden. Die Dänen, die durch uns in diesen Krieg hineingerissen worden sind, mögen sich freuen.

Sonnabend, den 30. Januar 1943.     

     Dr. Meyer war gestern da. Er untersuchte Martha ziemlich gründlich u. diagnostizierte: Grippe. Außer Bettruhe u. Gelonida hat er nichts weiter verordnet, doch will er von der Apotheke aus Ribnitz etwas gegen die Kopfschmerzen schicken lassen. – Heute früh klagte sie über heftige Kopfschmerzen in der Nacht; die linke Gesichtshälfte ist ziemlich gedunsen. –

     Ganz Deutschland ist wahrscheinlich tief enttäuscht, nachdem gestern abend im Rundfunk bekannt gegeben worden ist, daß Dr. Goebbels um 16 Uhr eine Rede halten u. eine Proklamation des Führers verlesen wird. Alle waren begierig auf Adolf's Rede am heutigen Tage, aber er kneift. –

Sonntag, 31. Januar 1943.     

     Martha weiterhin krank, aber es ist wenigstens keine Verschlimmerung eingetreten. –

     Gestern um 4 Uhr hielt Dr. Goebbels seine Rede. Es war die größte Hetzrede, die ich je gehört habe, mit einem unüberbietbaren Haß vorgetragen, sehr oft unterbrochen von frenetischem Jubel der Sportpalast=Zuhörer u. haßerfüllten Zwischenrufen. Es ist schlechthin trostlos. Die Partei ist entschlossen, bis zum letzten Deutschen zu kämpfen, – u. sie wird es tun! – Von Fritz gestern Abend ausführlicher Brief u. heute früh kurze Nachricht. Er fährt am 2. Febr. auf Urlaub, bleibt dann bis Sonntag in Bln. u.

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Hans Brass: TBHB 1943-01-29. , 1943, Seite 002. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-01-31_001.jpg&oldid=- (Version vom 25.4.2024)