Seite:HansBrassTagebuch 1943-02-28 001.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Sonntag, 28. Februar 1943.     

     Gestern Marthas Zustand sehr schlimm, heute Besserung. Es fällt doch furchtbar schwer, einer Kranken dauernd die ganze Rücksicht entgegenzubringen, die sie verlangen kann, wenn man selbst übermüdet ist, wie ich es gestern war, nachdem die Nacht vorher schlimm war u. mir nur wenig Schlaf erlaubte, besonders wenn ich selbst meine gebrochenen Knochen dann mehr fühle, als es sonst normalerweise der Fall ist. Zum Glück ist Martha ein dankbarer Mensch, der sich schon über Kleinigkeiten freut.

     Vorgestern Brief an Margret u. an den Vater Dr. Bohner, gestern an Fritz, den ich aber noch nicht absandte, weil Nachricht von ihm kam, daß die Verlegung seiner Buchhandlung an die Kanalküste nach Le Tréport nun verfügt worden sei. Er wird den Umzug in dieser Woche durchführen müssen, wodurch er zunächst einmal der Heldensuchaktion einigermaßen entzogen ist. Da die Kanalküste direkte Front ist, mag es hoffentlich sein, daß man dort keine Helden sucht, indem dort eben schon alle Helden sind. Diese Nachricht kam gestern nach einem langen Brief von Vorgestern, dem ersten nach seinem Urlaub. Er drückt darin seine dankbare Beglückung aus, daß wir seiner kleinen Braut so herzlich entgegengekommen sind.

Mittwoch, 3. März 1943.     

     Marthas Zustand wird besser, jedoch sehr langsam. Ich wollte heute noch einmal den Arzt holen, weil sie immer noch Beschwerden im Halse hat, aber sie möchte es nicht. –

     Vorgestern Nacht waren die Engländer in Berlin. Man spricht von sehr schweren Schäden, besonders in der Gegend am Potsdamer Platz, aber Genaues weiß man nicht.

     Die Lage an der Ostfront scheint sich weiterhin zu bessern, unser Angriff bei Isjum scheint erfolgreich zu sein, an den anderen Stellen der Front kommen die Russen anscheinend nicht mehr vorwärts, mit Ausnahme bei Demjansk, südlich des Ihnensees, aber vorläufig ist das noch in bescheidenen Grenzen. Sollten jedoch die Russen jetzt ihre ganze Kraft dorthin verlegen u. ihnen ein Vorstoß bis Pleskau glücken, den sie offenbar im Sinne haben, dann dürfte dort eine neue, sehr große Gefahr entstehen. Unsere Armee bei Leningrad wäre dann ziemlich abgeschnitten.

     Die große Aktion des Arbeitseinsatzes scheint nicht weiter zu kommen. Hier im Dorf ist jedenfalls immer noch nichts geschehen, obschon die Aktion bis zum 15. März abgeschlossen sein soll.

     Fritz schickte mir die Abschrift eines Briefes, den ein Kaplan Raab an seine Kirchensänger in der Heimat in Viersen aus Stalingrad geschickt hat. Der Kaplan ist Divisionspfarrer u. war in Stalingrad mit eingeschlossen. Der Brief ist ein erschütterndes Dokument. Ich habe Abschriften davon gemacht

Empfohlene Zitierweise:
Hans Brass: TBHB 1943-02-28. , 1943, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-02-28_001.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2024)