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Pfarrer D. schreibt übrigens wörtlich: „In den letzten Wochen sind wieder viele Priester verschwunden, in Stettin allein fünf!

Mittwoch, 17. März 1943.     

     Heute Nachmittag Besuch von Frau Prof. Erich Seeberg, mit der wir nun durch Fritzens Heirat in verwandtschaftliche Beziehung treten werden. Erich Seeberg ist der Bruder von Frau Dr. Bohner, der Mutter Margret's. – Sie kam aus Bln, wo ihre Wohnung total zerstört ist u. erzählte anschaulich von der Wirkung dieses letzten Bombenangriffs. Aber auch andere interessante Dinge erzählte sie, so von einer Hochverratsaffaire, die kürzlich in Bln. gelaufen ist, wobei die Angeklagten sich vorwiegend oder ausschließlich aus den Kreisen des Auswärtigen Amtes zusammengesetzt hätten. Alle sind zum Tode verurteilt, auch viele Frauen von hohen Beamten. Von dieser Sache habe ich schon vor einiger Zeit gerüchtweise gehört. – Auch berichtete sie, daß beim Bombenangriff sehr viele von den jetzt neuerdings bei der Flak eingesetzten 15-jährigen Jungens ums Leben gekommen, bzw. schwer verwundet worden seien. – Sie erzählte von verschiedenen Kollegen ihres Mannes, Pastoren, die in Konzentrationslagern waren, in denen vorwiegend hohe Beamte, hoher Adel, kathol. Priester u. evang. Pastoren gefangen gehalten werden u. ein qualvolles Dasein führen. Ferner von den täglichen Hinrichtungen im Gefängnis Plötzensee. – Sie meinte zu wissen, daß Hitler das Oberkommando, welches er sich angemaßt hatte u. das uns Stalingrad eingebracht hat, niedergelegt habe u. sich zur Erholung im Obersalzberg aufhalte. Auch das hörte ich vorher schon gerüchtweise. Nun erzählt Frl. v. Tigerström, die gestern nach langer Abwesenheit aus Süddeutschland wieder bei uns eintraf, daß der Führer durch München gefahren sei. So dürfte dies Gerücht also stimmen. Frl. v. T. erzählt über die Stimmung in Bayern, vor allem in München, wo ein heftiger Preußenhaß herrsche u. starke Opposition gegen die Regierung, was wiederum Terrormaßnahmen auslöse u. in ihrem Gefolge ebenfalls tägliche Hinrichtungen. –

Sonntag, 21. März 1943.     

     Gestern Nachmittag Besuch von Leutn. Dr. Steinmetz, der zu Kriegsanfang hier bei der Batterie am Hohen Ufer als Matrosen-Artillerist eingezogen war u. es seit längerer Zeit zum Leutnant gebracht hat. Er steht schon seit zwei Jahren in der Nähe von Bergen in Norwegen auf einer kleinen Insel ohne Baum u. Strauch, wo eine deutsche Küstenbatterie liegt. Er besuchte zwei Tage den Oblt. Dr. Krappmann u. fährt nun wohl auf Urlaub zu seiner Mutter nach Essen, deren Wohnung zu den wenigen gehört, die noch nicht von Bomben zerstört ist. Neues wußte er nicht zu berichten. Auch er erwartet nun bald einen Angriff auf Norwegen, – auch er glaubt nicht mehr an Sieg. –

     Heute ist der sog. „Heldengedenktag“, der eigentlich schon am vorigen Sonntag fällig war, aber auf heute verlegt worden ist. Warum,

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Hans Brass: TBHB 1943-03-14. , 1943, Seite 003. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-03-17_001.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2024)