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Sonntag, den 28. März 1943     
3. Fastensonntag.     

     Die Woche verlief ruhig u. ereignislos. Bei dauernd schönem Frühlingswetter viel im Garten gearbeitet, den Steingarten erweitert, von Rewoldt einige Stauden dazu bekommen. Frau Dor Westerich aus Hmb.traf ein auf der Flucht vor Bombenangriffen, mit ihrem kleinen Kinde. Sie erzählte viel Schauerliches von den Angriffen auf Hamburg. Aber trotz günstigstem Flugwetters blieb alles ruhig, – bis gestern Abend um ½11 Uhr wieder starkes Motorengeräusch einsetzte, das sich von Minute zu Minute steigerte. Es müssen viele Hunderte von Bomben gewesen sein, die über uns hinweg flogen, denn der Spektakel dauerte ununterbrochen u. ohne die geringste Schwächung bis 1/2 1 Uhr Nachts. Man sah wohl zeitweise die Flak in Rostock stark schießen, aber Bomben wurden nicht geworfen bis auf eine einzige, die anscheinend in nordöstlicher Richtung niedergegangen ist. Vermutlich sind diese Bomber alle gegen Berlin geflogen. Merkwürdigerweise verbreitete sich hier schon seit vorgestern das Gerücht, daß am Sonnabend ein Großangriff auf Berlin erfolgen würde. Nähere Nachrichten habe ich bis jetzt nicht gehört, im Rundfunk war heute früh davon nicht die Rede, – ich habe ihn zwar nicht ganz gehört; aber man wird wohl bald Näheres hören. –

     Im „Reich“ schreibt Hans Schwarz van Berk einen Artikel: „Aengste und Träume“, – der insofern für mich von Interesse ist, als er meine Ansichten über die Kriegslage zu widerlegen sich bemüht, woraus ich entnehmen kann, daß ich offenbar mit meiner Ansicht nicht allein stehe, sondern daß dieselbe sehr verbreitet zu sein scheint. Natürlich stellt Herr Schwarz diese Ansicht als komplette Idiotie hin; aber warum schreibt er dann einen ganzen Artikel darüber, um diese Idiotie zu widerlegen? Immerhin macht er einige interessante Geständnisse. Er sagt, daß niemand wisse, wann u. wie dieser Krieg zu Ende gehen wird, – also auch Herr Sch. nicht! – u. daß deshalb die europäische Geduld zwischen Aengsten u. Träumen hin u. her gerissen werde. Daß die Angst vor dem Bolschewismus eine schon fast hysterische Form angenommen hat, das liegt doch in erster Linie an der Hetzpropaganda unserer Regierung – u. das hat ja diese Propaganda auch gewollt. – Und dann macht er sich lustig über die „wunderliche Weise“, wie manche Leute sich den weiteren Verlauf des Krieges vorstellen. Zu diesen Leute gehöre auch ich. Auch ich glaube – oder hoffe doch wenigstens, – daß die Engländer und Amerikaner bald in Norwegen oder Nordfinnland landen werden u. gleichzeitig durch die Dardanellen oder durch Griechenland nach Rumänien marschieren werden, um dort unsere einigen Erdölquellen abzuschneiden u. so eine Fortsetzung des Krieges unmöglich machen werden. Noch mehr: ich hoffe, daß sie gleichzeitig durch Italien u. Frankreich, – Belgien – Holland marschieren werden u. daß sie ganz Deutschland besetzen werden, ehe die Russen Zeit haben, ihrerseits Deutschland zu besetzen. Es ist das die einzige Möglichkeit, die uns vor den Bolschewisten,

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Hans Brass: TBHB 1943-03-28. , 1943, Seite 001. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1943-03-28_001.jpg&oldid=- (Version vom 26.4.2024)