Seite:HansBrassTagebuch 1953-07-03 004.jpg

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wäre. Das 11. Haus ist ja auch das Haus der öffentlichen Politik u. gerade diese hat mich in meinem Leben ja immer gehindert u. gestört. Erst jetzt wieder ist mir durch den 17. Juni die Ausstellung meiner Bilder bei Thim-Sieberg zerschlagen worden u. auch die Juryfreie wird diesmal wahrscheinlich für mich verloren gehen. Nur in den Jahren nach 1918 war die Politik für mich förderlich, seit 1933 hat sie mich gehemmt. Im Jahre 1945 war sie einen kurzen Augenblick, als ich in Schwerin ausstellte, günstig, aber dann kam gleich der Rückschlag. Ich denke aber, daß der so günstig für mich gestellte u. bestrahlte Uranus im 1. Hause zuletzt doch noch den entscheidenden Umschwung bringen wird, u. zwar grade von der Politik her. – Nun, wie dem auch sei –, mir scheint das Projekt, nach Wuhlgarten zu ziehen u. dort mein Leben zu beschließen, für mich ganz schicksalsbedingt zu sein u. ich sage aus freiem Herzen mein Ja dazu. –

     Die Regierung u. die SED. fahren weiter fort, durch Propagandareden in den Betrieben die Reklametrommeln für sich zu rühren. Mögen sie, sie werden das verlorene – oder vielmehr das niemals besessene Vertrauen des Volkes nicht erobern. Vorgestern Abend hörte ich im Rias die Uebertragung der Bundestagssitzung, in der Dr. Adenauer über den 17. Juni sprach. Was er sagte, war großzügig u. hoffnungsvoll. Auch der Sozialdemokrat Wehner sprach sehr gut u. sachlich, dagegen offenbarte die Rede des Sozialdemokraten Brandt, daß diese Partei schon ganz auf die im Herbst fällige Wahl eingestellt ist u. nach Parolen angelt. Diese lautet: „Einheit Deutschlands“. – Das wäre natürlich schön, aber es ist Unsinn, nur immer propagandistisch „Einheit“ zu schreien, ohne praktisch die richtigen u. einzig möglichen Wege dahin zu gehen. Dr. Adenauer geht diese Wege u. ich glaube auch sicher, daß das Volk im künftigen Wahlkampf diese Richtigkeit erkennen wird. Schließlich ist es ja nicht zu übersehen, was auch einer der Redner sagte, daß es die Arbeiter des 17. Juni waren, welche die Rote Fahne vom Brandenburger Tor heruntergeholt u. dafür das Schwarz-Rot-Goldene Banner der Bundesrepublik gehißt haben. Sie haben übrigens nicht nur vom Brandenburger Tor die Rote Fahne heruntergeholt, sondern auch überall sonst, wo sie rote Fahnen gesehen, haben, wie z.B. hier gegenüber in der Hygiene-Ausstellung u. überall. Nicht nur das, sondern sie haben die Bilder ihrer Führer, besonders die von Ulbricht u. Stalin zerschlagen u. verbrannt. Das waren keine Provokateure, sondern waschechte Arbeiter aus Ostberlin. – Und wenn dann in der Bundesrepublik u. in Westberlin frei gewählt werden wird, dann wird der Osten nicht ruhig bleiben. –

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Hans Brass: TBHB 1953-07-03. , 1953, Seite 004. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:HansBrassTagebuch_1953-07-03_004.jpg&oldid=- (Version vom 30.4.2024)