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     Die Österreicher sind zwar im Anfange des Krieges in Serbien eingedrungen, haben auch Belgrad, die Hauptstadt des Landes, genommen, aber gar bald mußten sie es wieder räumen. Erst als Bulgarien im Herbst 1915 unser Bundesgenosse wurde und in Rußland Truppen frei wurden, schritt man ernstlich zur Bestrafung des Landes, von dem der freventliche Anlaß des Weltenbrandes ausgegangen ist. Serbien ist nun sehr gebirgig und bietet daher seinen Verteidigern überaus günstige Stellungen und Schlupfwinkel. Aber gegenüber den kräftigen Vorstößen der Deutschen und Österreicher im Norden und Westen und der Bulgaren im Osten und bald auch im Süden gibt es kein Halten mehr. Belgrad ist bald wieder in unserer Hand und so geht es den ganzen Oktober und November 1915 in Serbien immer siegreich vorwärts. Binnen zwei Monaten wird wohl ganz Serbien am Boden liegen; Montenegro wird gleich hinterher abgetan werden.


Aegyptischer Kriegsschauplatz.


     Inzwischen nähern sich die Vorbereitungen für die Entscheidungskämpfe am Suezkanal dem Abschluß. Die Türken bauen seit langem eifrig an einer Bahn von Syrien über die Sinaihalbinsel bis dicht an den Suezkanal. Bevor diese gebaut ist, ist dort keine größere Schlacht zu erwarten. Gelingt es aber den Türken und uns, die Engländer von dieser Weltstraße zu verdrängen, so wird, wie man sagt, die englische Seeherrschaft an ihrer empfindlichsten Stelle getroffen. Die direkte Verbindung Englands mit seiner größten Kolonie, mit Indien, ist dann unterbrochen[WS 1] und dann – ist England vielleicht bereit, Frieden zu schließen.


Kämpfe mit Italien.


     Ein halbes Jahr etwa stehen die Italiener jetzt an der Nordgrenze ihres Landes, um in Österreich einzudringen. Blutige Köpfe haben sie sich schon oft geholt. Nach Tirol können sie nicht gelangen, die Zugänge werden zu gut bewacht. Aber auch am Isonzo kommen sie nicht weiter, obwohl die Österreicher dort längst nicht im gleichen Maße von der Natur begünstigt werden. Bis jetzt ist die Teilnahme am Kriege bei den Riesenverlusten und den dauernden Mißerfolgen für Italien weiter nichts als eine große — man verzeihe das Fremdwort – Blamage.


Kämpfe zur See.


     Nirgends tritt der Gegensatz zwischen deutscher und englischer Art schärfer zu Tage als bei den Kämpfen zur See. Wie prahlten doch anfangs die Engländer, in kurzer Zeit werde unsere Flotte auf dem Meeresgrunde liegen! Und bis jetzt sind wir nicht die Besiegten. Äußerlich gerechnet ist die feindliche Flotte viel stärker als unsere. Es kommt aber nicht so sehr auf die Zahl und Größe der Schiffe an wie auf den ganzen Geist, der in einer Flotte herrscht. Und der Geist unserer Blaujacken ist wahrlich eine der edelsten Blüten deutschen Wesens. Unsere Schiffe verkriechen sich nicht vor dem Feinde, sondern „ran an den Feind, wo er sich zeigt,“ ist die Losung.

     Die Auslandkreuzer, die bei Beginn des Krieges nicht in die Heimat kommen konnten, haben sich monatelang einer erdrückenden Übermacht gegenüber behauptet und haben während dieser Zeit schier unglaubliche Heldentaten vollbracht. „Goeben“ und „Breslau“ schlugen den Engländern ein Schnippchen und stießen zur türkischen Flotte, mit der sie hernach auf dem Schwarzen Meere dem Russen gefährlich wurden. „Karlsruhe“ macht den Golf von Mexiko unsicher, und „Emden“ wird der Schrecken des Indischen Ozeans; ein Handelsschiff nach dem andern wird versenkt, bis es endlich der Feind fertigbringt, sie unschädlich zu machen. Dem Grafen von Spee gelingt die Vereinigung einiger Kreuzer zu einem Geschwader, er schlägt beinahe vernichtend eine englische Übermacht an der chilenischen Küste und nimmt im Dezember 1914 abermals den Kampf mit einer großen Übermacht auf. Das Heldentum des untergehenden Kreuzergeschwaders bei den Falklandinseln nötigt auch dem Gegner Bewunderung ab.

     Aber wenn nun auch die fernen Meere frei von der deutschen Gefahr waren, an Englands Küste entstand ein noch gefährlicherer Feind für das stolze Albion: Es war das deutsche Unterseeboot. „U 9“ vernichtete unter Weddigen an der holländischen Küste binnen zwei Stunden drei große englische Kreuzer. Noch manches feindliche Kampfschiff erliegt einem deutschen Torpedo. Im Februar erklärt Deutschland das ganze englische Küstengebiet für Kiegsgebiet, und seitdem versenkten eine ganze Zeitlang unsere U-Boote fast täglich ein oder mehrere feindliche Handelsschiffe. Der englische Handel wird auf diese Weise natürlich nicht vernichtet, aber empfindlich geschädigt, und wenn England ungefähr dieselben Preise für Lebensmittel hat wie wir, wo wir doch von der See abgeschnitten sind und ausgehungert werden sollen, so ist das ein nicht zu unterschätzender Triumph unserer Unterseeboote. Ab und zu trifft ein Torpedo auch einen Transportdampfer tödlich. Die Wut der Engländer, besonders auf Weddigen, läßt sich denken, und bestimmte Nachrichten gehen dahin, daß Weddigen durch eine ganz gemeine Handlungsweise der Feinde den Tod eines kühnen Seehelden gefunden hat. Selbst das größte Schiff der Engländer, die „Lusitania“ wird durch ein Unterseeboot versenkt. Vergeblich nehmen einige Amerikaner naiver Weise an, sie könnten dies stolze Schiff trotz seiner Munitionsladung durch ihre bloße Anwesenheit an Bord neutral machen. Allerdings geben solche Fälle Anlaß zu wiederholtern Notenaustausch zwischen Amerika und uns, aber die Verhandlungen werden, wie von maßgebender Seite versichert wird, zu einem beide Parteien befriedigenden Abschluß führen. Die U-Boote indes eben durch ihre muntere Tätigkeit und wachsende Leistungsfähigkeit die Welt mehr und mehr in Erstaunen. Eines von ihnen gelangt sogar durch die Straße von Gibraltar, versenkt im Mittelmeer zwei feindliche Kriegsschiffe und trifft wohlbehalten in Konstantinopel ein. Jetzt sind mehrere U-Boote im Mittelmeer eifrig an der Arbeit. England, glaubst du noch immer an deine Alleinherrschaft auf dem Meere? Wäre es nicht besser für dich, du ließest das friedliche Deutschland in seiner natürlichen Entwicklung ungestört und gönntest ihm auch seinen Platz an der Sonne?


Kämpfe in den Kolonien.


     „Tsingtau gefallen!“ Diese Trauerkunde ereilte uns im November 1914. Sie kam uns überraschend, obwohl wir uns hatten sagen müssen: Dieser Vorposten deutscher Kultur im fernen Osten kann sich nicht ewig halten. Die Japaner haben bei der feigen Wegnahme Tsingtaus dreimal so viele Leute eingebüßt, als Verteidiger in der Festung waren. Das eine haben wenigstens die Japaner bisher erfahren: Mit Deutschland fängt keiner ungestraft an. Die eigentliche Abrechnung kommt später.

     Über unsere Kolonien in Afrika laufen nur spärliche Nachrichten ein. Aber mit Stolz können wir feststellen, daß auch dort die kleine deutsche Wehr die Feinde tief beschämen muß. Als der Rest der deutschen Truppen in Südwest, von Hunger und Mangel an Munition gezwungen, sich für besiegt erklären mußte, da haben diese wackeren Streiter so ehrenvolle Bedingungen der Kapitulation erhalten, wie sie kaum jemals vorher von einem

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Vorlage: uuterbrochen