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das Wirtschaften ungemein und da in den 5 Millionen landwirtschaftlichen Betrieben fast überall ein Teil der kräftigsten Männer eingezogen ist, Gefangene, Jungmannen usw. aber doch kein volwertiger Ersatz genannt werden können, so besteht die ernste Gefahr, daß ausgedehnte Flächen brach liegen, wenn nicht Aussicht auf lohnenden Gewinn besteht. Auch die Löhne auf dem Lande ziehen stark an, weil die Munitionsfabriken und überhaupt die ganze Kriegsindustrie die Kräfte vom Lande stark anlockt in diesen teuren Zeiten. Aus allen diesen Gründen steigen die Lebensmittelpreise stark und die Verbraucher müssen hohe Summen als Prämie für Frühdrusch, Anfuhr usw. bezahlen. Aber immer noch besser hohe Preise als überhaupt keine Lebensmittel.

Die Zivildienstpflicht.

     Seitdem Hindenburg mit seinem unzertrennlichen Ludendorff an die Spitze der Obersten Heeresleitung getreten ist, merkt man überall die größere Entschlossenheit bei der Kriegsführung, nicht allein durchzuhalten, sondern wirklich zu siegen. An der Somme und vor Verdun hatte der Feind ungeheure Mengen neuer Kanonen aufgefahren und verfügte über eine schier unermeßliche Munition, während wir mit der unsrigen haushalten mußten. Da setzte nun Hindenburg an und forderte und erwirkte eine ganz gewaltige Steigerung der Herstellung von Munition, von Artillerie und Flugzeugen; groß waren die Hindernisse, die sich ihm entgegenstellten. Aber sein starter Wile überwindet eben alles. Ein ganz neues Gesetz wurde geschaffen, die Zivildienstpflicht. Jedermann vom 17. bis zum 60. Lebensjahre kann jetzt herangezogen werden, um für das Vaterland zu arbeiten. Um nun alle vorhandenen Kräfte irgendwie für des Vaterlandes Wohl dienstbar zu machen, dazu ist in erster Linie das Kriegsamt da, dessen Verdienste längst nicht genügend gewürdigt werden. Die ganze Industrie wird unter einheitliche Leitung gebracht, natürlich unter möglichster Schonung der persönlichen Freiheit und der Werke, die schon gut für den Krieg arbeiteten. Das ist überhaupt das Großartige an dem neuen Gesetze, mit dem tiefen Eingriff in die persönliche Freiheit der nicht militärtauglichen Männer vom Beginn der Mannbarkeit bis zum Eintritt ins Greisenalier, deß es ohne große Härten die stärksten Wirkungen ausübt. Es wird nicht planlos ausgehoben für irgendwelche Arbeit, sondern jeder wird möglichst in seinem Berufe beschäftigt, und wenn es an geschulten Kräften auf einem Gebiet fehlt, so fordert die Behörde zur freiwilligen Meldung auf, und das genügt in den allermeisten Fällen. Es werden hier auch leidliche Löhne gezahlt, wer zur Zivildienfipflicht herangezogen wird, steht sich geldlich meist besser als bei militärischer Einziehung.

     Zivildienstpflichtige werden auch in besetzten Gebieten zahlreich verwendet, ja sie finden Verwendung beim Militar, und es ist wirklich keine Übertreibung, wenn man sagt: sie haben in der Heimat und in der Etappe so viel Soldaten freigemacht, daß dadurch mehrere Armeetorps mehr aufgestellt werden konnten. Die Frauen werden gesetzlich von der Zivildienstpflicht noch nicht erfaßt, aber sie werden gerne angenommen, wenn sie sich melden, und eine Riesen Arbeit wird ohne Zweifel von ihnen geleistet, überall sieht man Schaffnerinnen bei der Eisenbahn, man sieht weibliche Briefträger, und die Munitionsfabriken beschäftigen Tausende und Abertausende von Frauen und Mädchen, und zwar nicht mehr bloß aus den einfachen Kreisen, nein, auch gebildete Damen treten mehr und mehr in die Heimatfront und helfen auch ihrerseits nach Kräften an dem großen, edlen Wert der Verteidigung unseres geliebten Vaterlandes.

     In die ganze Industrie aber kommt ebenfalls ein einheitlicher Zug. Was für die Kriegswirtschaft nicht taugt, wird stillgelegt. Die Arbeits träfte werden anderswo untergebracht, bie Rohstoffe werden verteilt auf die einzelne Werke, nicht nach der höheren Zahlungsfähigkeit, sondern unter dem Gesichtspunkt der besten Verwendbarteit für die Allgemeinheit. Die Rohstoffe werden auch keineswegs in dem gewünschten Maße geliefert – das verbietet hier deren Knappheit. Dadurch werden die einzelnen Werke gezwungen, höchst sparsam mit dem zugeteilten Stoff umzugehen, zugleich aber auch nach genügenden Ersatzstoffen Umschau zu halten. Und was die Industrie nun während des Krieges leistet, was für große Erfindungen unter der Hand gemacht sind, darüber darf leider noch nicht öffentlich gesprochen werden. Aber mit freudigem Stolze muß es uns alle erfüllen, daß wir jetzt in der Rohstofffrage auf Jahre hinaus sichergestellt sind, und wir also den Krieg aus Mangel an Rohstoffen nicht abzubrechen brauchen Staunend sehen wir jetzt alle diese Neuerungen sich vollziehen und Zwar mit einer Selbstverständlichteit, als wenn es sich um kleine alltäglichkeiten handelte. In dem Ganzen aber fteckt eben Hindenburgs Geist, der es mit der ganzen Welt aufgenommen hat, der sich nicht schrecken läßt durch die Zahl der Gegner, sondern der mit unerschütterlicher Ruhe das Notwendige zu ersinnen weiß und in die Tat umzusetzen versteht.

Das Kriegsziel.

     Seit langem ist der Deutsche als schlechter Politiker in der Welt bekannt. Das tritt leider auch bei der Erörterung der Kriegsziele wieder grell zu Tage. Als einziges Kriegsziel muß doch aber jedem Deutschen Deutschlands verbürgte Freiheit vor Augen stehen. In der Erörterung darüber jedoch, wie dies Ziel zu erreichen ist verschwindet eben gar zu leicht dies Ziel vor den Augen der Streitenden. Elende Prinzipienreiterei und kleinlicher Parteihader trüben gar zu oft den Blick auf das Ganze. Trotzdem die Feinde es wahrlich oft und deutlich genug ausgesprochen haben, daß sie Deutschland vernichten wollen glaubt deutsche Gutmütigkeit immer noch an eine friedliche Verständigung. Höhnisch ist des Kaisers Friedensangebot vom 12. Dezember 1916 zurückgewiesen, beleidigend hat Wilson auf des Papstes Friedensnote geantwortet, aber Erzberger hielt sich für fähig, in ganz kurzer Zeit die Friedensverhandlungen mit England einleiten zu können. Und Scheidemann glaubt immer noch an eine Friedensliebe in der ganzen Welt, wie er es auch vor 1914 getan hat, die bitterste Wirklichkeit der 3 letzten Jahre vermag ihn nicht zu belehren. Und wie die parlamentarischen Führer so vermögen Auch weiteste Kreise des deutschen Volkes die rauhe Wirklichkeit noch nicht zu erfassen, soll denn die deutsche Michelei niemals aufhören? Sollten denn die Feinde, die auf allen Kampfplätzen die Unterlegenen sind, durch diplomatisches Geschick die endgültigen Sieger sein? Es ist ein Lebensinteresse für uns, daß in Ost und West unsere Grenzen besser geschützt werden als bisher, aber vor dauernder Besetzung von Kurland und Belgien schrickt man zurück, weil man keine Eroberungen wolle. Es ist doch keine Raublust, die solche Gebietserweiterungen veranlaßt, es ist einfach der Trieb der Selbsterhaltung. Geschichtlich haben wir auch ein Anrecht auf beide Länder. Riga ift die Hälfte der Zeit seines Bestehens ein Teil des deutschen Reiches gewesen und die Balten wünschen nichts sehnlicher als der Wiederanschluß an das Mutterland. Auch Belgien hat zum größeren Teile deutsche Bevölkerung. Barum soll denn Deutschland seine Söhne nichtt wieder aufnehmen, die es in der Zeiten elender Zerrissenheit verloren hat?

     Ein Deutschland, wie es 1914 bestand, gibt es nicht mehr und läßt sich auch nicht wieder herstellen. 1½ Millionen Männer haben ihr Blut hergeben müssen für des deutschen Volkes Selbsterhaltung, die Kriegsschulden haben Ein früher nicht geahntes Maß erreicht, die lassen sich mit