Seite:Harz-Berg-Kalender 1927 031.png

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Diese Seite wurde noch nicht korrekturgelesen. Allgemeine Hinweise dazu findest du auf dieser Seite.


den Zehnten[1] am Rammelsberge der Stadt Goslar verpfändet, doch mit dem Vorbehalte, ihn jederzeit gegen Zahlung der Pfandsumme wieder einlösen zu können. Dies geschah unter Heinrich dem Jüngeren. Er zahlte die festgesezte Pfandsumme, löste damit die seinen Vorfahren verliehenen Rechte wieder ein und erklärte sich schon im Jahre 1527 als Bergherrn des Unterharzischen Bergbaues. „Obwohl das Recht dem Herzog Heinrich klar und entschieden zur Seite stand, so weigerte sich doch die Stadt, ihn als ihren Bergherrn anzuerkennen und seinem Berggerichte sich zu fügen. Trotzig stellte sie die Arbeit am Berge ein, ergriff die Waffen gegen den in Riechenberg lagernden Herzog und verwüstete die außerhalb der Stadtmauern gelegenen Stifter und Klöster.“ Doch kam der Streit damals noch nicht zum Austrag, weil der Herzog von anderweitigen Zeitereignissen in Anspruch genommen war. Während seiner Gefangenschaft bemächtigte sich der Rat zu Goslar wieder des Rammelsberger Bergbaues und gab 1544, als sei er im rechtlichen Besitzte des Bergwerks, eine neue Bergordnung heraus.

     Im Jahre 1552 fand der Herzog endlich Zeit, gegen. die Stadt Goslar energisch vorzugehen. Mit starker Macht zog er vor ihre Tore und zwang sie in einem Vertrage zu Riechenberg zur Demütigung. Die Stadt trat dem Herzog alle Obrigkeit, Jurisdiktion, Vogtei und Gericht am Rammelsberge ab, genehmigte das Verkaufsrecht des Herzogs bei den gewonnenen Erzen, überließ ihm den größten Teil der Forsten, die Wildbahn und Fischerei, erkannte den Herzog als Schutzherrn an, verrichtete alle Schuldscheine und verpflichtete sich zur Zahlung von Schutzgeldern. Seit dieser Zeit sind die Unterharzischen Bergwerke beständig in landesherrlichem Besitz geblieben.

     Herzog Heinrich ging nach seiner Erwerbung des Rammelsberges sofort daran, das Berg- und Hüttenwesen im Harz zu verbessern. Noch in demselben Jahre erließ er eine Bergordnung für den Rammelsberg, welcher 1555 eine vollständigere und verbesserte, der kursächsischen vom Jahre 1554 fast gleichlautende Bergordnung für den Rammelsberg und den diesem anliegenden Harzberg nachfolgte; letztere galt auch für den Wolfenbüttelschen Oberharz: Zellerfeld, Wildemann, Grund und Lautenthal samt allen umliegenden dazugehörigen Bergwerken. Auf den Hüttenwerken zu Oker, die er schon 1527 angelegt hatte, wurden die Erze des Rammelsberges, wie noch heute, verschmolzen. Im Jahre 1556 gründete er die Frau-Sophien-Hütte bei Langelsheim, die ihren Namen nach seiner zweiten Gemahlin Sophia, einer Tochter des Königs Sigismund von Polen, erhielt, wo noch heute die Bleierze des Rammelsberges verschmolzen werden. Den Meißner Stollen, den der Rat zu Goslar mit Hülfe Meißner Bergleute 1552 vor dem Breiten Tore begonnen hatte, trieb Heinrich 120 Lachter (ca. 240 Meter) in frischem Gestein fort. Derselbe wurde unter seinem Sohne Julius 1585 vollendet, weshalb er auch den Namen Julius-Fortunatusstollen führt.

     Einen treuen Beistand in seinen Bestrebungen hatte Heinrich in dem treffliden Oberverwalter Christoph Sander, der 1568 die eisernen Kettenseile im Rammelsberg einführte, die von da aus sich bald über alle Länder verbreiteten. Ursprünglich verwandte man Förderseile von Hanf, die aber sehr kostspielig waren und vielfach an Haltbarkeit einbüßten. Sander sorgte für einen geordneten und gewinnreichen Betrieb und wußte dadurch den Herzog von dem Plane abzubringen, das Bergwerk am Rammelsberge, von dem ihm große Unordnungen und Unterschleife bekannt geworden waren, für einen geringen Preis zu veräußern.

     Mag auch Herzog Heinrich sonst ein rücksichtsloser und gewalttätiger Fürst gewesen sein, für den Oberharz war er ein wahrer Landesvater, der die Bewohner der Bergstädte nicht nur bei ihrem Glauben ließ, sondern der ihnen auch alle Vorteile gewährte und alles Gute erzeigte, soweit es nach den damaligen Verhältnissen möglich war. Wo ihm Mangel oder Not bekannt wurde, hat er geholfen und ist auf Abstellung der Not bedacht gewesen. Er ließ in teuren Zeiten schon Korn im Flachlande aufkaufen und es dem Oberharze zuführen, wo er es an seine lieben Bergknappen einen oder zwei Groschen billiger für den Himpten abgab. Dadurch ist er vorbildlich geworden für die spätere Einrichtung der Kornmagazine, die im 17. Jahrhundert für die Bergleute des Oberharzes eingerichtet wurden.

     Bewundernswert war seine Herablassung zu armen und geringen Personen und seine Teilnahme an dem Wohl und Wehe seiner Untertanen, besonders seiner Beamten, wie folgendes Beispiel zeigt: Der Steiger Franz Preuß in Zellerfeld lag sterbenskrank in seinem Häuschen. Als Herzog Heinrich bei Gelegenheit seiner Anwesenheit in Zellerfeld davon hörte, hat er nicht


  1. Der „Zehnte“ war die dem Landesherrn von den Gewerken zu errichtende Abgabe, die in dem 10. Teil aller gewonnenen Erze und Metalle bestand. Beim Rammelsberge betrug diese Abgabe den 13. Korb Erz, der in natura geliefert wurde. Als „Zehnten“ bezeichnet man auch das Gebäude, in dem sich die Zehntkasse befand, und wo der Zehntner, der den Zehnten einzog, seine Diensträume hatte.