Seite:Harz-Berg-Kalender 1927 055.png

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ab; hinter derselben sah man jedoch noch die Kuppe eines fernen Waldberges. Der mußte nächstentags erstiegen werden! Vorher wollte der Künstler übrigens die Damen des Schlosses kennen lernen und mit ihnen in näheren Verkehr treten; denn der Ritter sollte eine schöne Tochter haben, die er vor niemandem sehen ließ. Wenn über solch erster Orientierung innerhalb und außerhalb der Burg auch vierzehn Tage vergingen, so schadete das nichts; Leonhard fällt Anfang November, folglich blieben noch gut zwei Monate Zeit für die leidige Malerei.

     Unter diesen Erwägungen war der Künstler glücklich ins halbe Wams gekommen und durchschritt nun, indes er dasselbe vollends anzog, die geräumige Vorhalle, sein künftiges Atelier.

     Dort sah es wunderlich aus.

     Ein Feuerherd mit großem überhangendem Kaminschoß stand an der Wand, daneben ein kleiner seltsam geformter Ofen, Schmelztiegel und Töpfe aller Art, Flaschen und Destillierkolben auf Tischen und Simsen, altes bestaubtes, zerbrochenes Geschirr. Die Staffelei mit den Bildern und Malwerkzeugen hatte man zwischen diesen Trödel mitten hinein gestellt.

     Der Maler wollte eben seine Pantoffeln anziehen, um auch noch ein wenig ins nächstanstoßende Zimmer zu spähen, da erschien der Hausherr, gefolgt vom Torwart, welcher das Frühstück brachte.

     Man begrüßte sich artig, und der Gast bezeugte dem Wirte seinen Dank, daß er ihn so malerisch quartiert habe, diese Halle zumal sei ganz für einen Künstler gemacht. Quintin Messis hätte sein Atelier nicht sinniger ausschmücken können mit angenehm unnützen Dingen, fast möchte er’s gleich als Studie malen. Übrigens möge ihm sein freundlicher Wirt doch sagen, was dieser Herd und Ofen samt all den Flaschen und Kolben eigentlich bedeute?

     Kurz und bündig antwortete der Herr von Haltenberg: „Mein Vater baute diese Halle für einen Alchimisten, welcher von ihm viel Gold erhielt und hundertmal mehr Gold damit zu machen versprach. Aber eines Tages ging der Goldmacher durch und ließ nichts zurück als etwas schwarze Wäsche. Darauf ließ mein Vater alle Fenster dieses Baues stark vergittern – wie Ihr seht – die Türen mit schweren Schlössern und Riegeln verwahren – überzeugt Euch selber! – ja sogar den Kamin von innen durch gute Eisenstangen sichern – blickt hinauf: durch, den Schornstein aufs Dach zu kleitern, ist ganz unmöglich. Er hoffte, den Goldmacher wieder zu kriegen oder vielleicht auch einen anderen besseren, und dann war abermaligem Davonlaufen vorgebeugt. Aber der alte Goldmacher kam nicht wieder; denn er war inzwischen gehängt worden, und ein zweiter fand sich auch nicht. So standen denn die Räume leer bis heute. Und also hat mein Vater Riegel und Gitter doch nicht umsonst gemacht; denn jetzt bleibt Ihr hier eingesperrt, bis alle vierzehn Nothelfer feriig sind. Ihr werdet in dieser Zeit weder mich sehen noch überhaupt einen Menschen außer meinem treuen Torwart, der Euer Schließer und Aufwärter sein wird. Sein Gesicht wird Euch nicht zerstreuen. Ihr habt es ja bereits gemalt. Guten Appetit zum Frühstück!“

     Mit diesen Worten ging der Alte hinaus samt dem Diener, welcher äußerst hurtig die Türe schloß und riegelte.

     Vergebens rief ihm Konrad Lenz die feierlichsten Proteste nach gegen seine Gewalttat – zuerst durchs Schlüsselloch, dann durchs Fenster. „Ich bin Bürger der Reichsstadt, sie wird mich befreien und rächen! Ich bin Genoß der Malergilde, sie wird für mich bei Kaiser und Reich klagen!“ Vergebens! Es hörte ihn niemand außer etlichen Spatzen vor dem Fenster, die sehr erschreckt davonflogen.

Ⅳ.

     Konrads nächster Entschluß war, nunmehr erst recht keinen Pinsel anzurühren, dagegen alle List dahin zu richten, wie er etwa ausbrechen oder doch seinen Freunden Nachricht geben könne, daß sie ihn frei machten. Aber alle Versuche scheiterten.

     Die Zimmer waren hell und geräumig, gar nicht kerkerhaft, allein die Gitter und Riegel so fest, daß selbst ein Goldmacher, welcher doch in Spitzbubenkünsten geschulter ist, als so ein undschuldiger Maler, schwerlich hinausgekommen wäre.

     Der Torwart brachte nicht etwa karge Gefangenkost, sondern treffliches Essen und den besten Wein, und sorgte für alle Bequemlichkeit. Allein keine Überredungskunst verfing bei dem alten knurrenden Bullenbeißer, und solange er im Zimmer war, hielt eine unsichtbare Hand von außen die Tür verschlossen.

     Die Räume lagen im Erdgeschoß, wie sich’s bei der Teufelsküche eines Alchimisten von selbst versteht, und die Fenster gingen auf ein kleines verwildertes Gärtchen, welches durch die hohe, von der fernen Waldkuppe überragte Mauer abgeschlossen war; irgendeinen benachbarten Teil der Burg oder gar einen Menschen konnte man nirgends erspähen. Und so blieb kein Kartäuser in seiner engen Zelle gründlicher vor den Zerstreuungen der Welt bewahrt, als der Künstler in dem weitläufigen Gelaß.