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mühen wolle, so werde er sämtliche neue Bilder im besten Lichte aufgestellt finden.

     Auf den Vormittag hatte er noch eine Rücksprache mit Susanne verabredet. Leider fiel der Regen in Strömen, so daß sich das Mädchen auf die Fensterbrüstung setzen und ganz eng ans Gitter drücken mußte. Konrad wollte heute noch mit dem Geständnis ihrer geheimen Schwüre vor den Ritter treten. Dessen Standesvorurteile machten ihn jetzt freilich bänger denn je, darum redete er sich seine Beklemmungen hinweg, indem er Susannen noch einmal vorerzählte, wie hochgestellt in gegenwärtigen Zeiten die großen Maler Italiens seien, und wie seine Ahnen auch keineswegs aus den Zünften stammten, sondern aus den Patriziern der freien Reichsstadt Bopfingen. Als sein Urgroßvater von dort weggezogen, habe er aber das Patrizat aufgegeben, das dem niederen Adel gleich geachtet würde.

     Zwischenbei unterbrach er diese schon öfters erzählte Geschichte durch mehr lyrische Ausrufungen und zwängte seinen Kopf mühsam durch die Eisenstangen, wobei er Susannes Mund etwas näher berührte, als fürs bloße Wortverständnis nötig war.

     Nun hatte aber den Ritter die Neugier geplagt, die vollendeten Bilder sofort zu sehen; um das bessere Licht am Nachmittage kümmerte er sich wenig. Er war mit dem Torwart in die Halle getreten, dröhnenden Schrittes nach gewohnter Art, allein im Rausch der Gefühle und im Rauschen des Regens hatte ihn das Paar am Sprechgitter dennoch nicht gehört. Er hörte eine Weile ruhig zu, wie der Maler seinen vornehmen Künstler- und Patrizierstand rühmte; als aber derselbe zum drittenmal seinen Kopf durchs Gitter zwängte, klopfte er ihm auf die Schulter.

     Konrad wollte rasch zurückfahren, blieb jedoch stecken, denn nur langsam und mit seinem Bedacht war der Kopf wieder hereinzubringen. Susanne schrie laut auf und lief davon.

     Der Künstler befand sich in einer kläglichen Lage. Er hatte den Ritter so stolz und fest vor Augen treten wollen und steckte nun da, wie der Fuchs im Schlageisen. Und daß Susanne davongelaufen, war auch gar zu kindisch; sie hätte heldenhaft stehen bleiben sollen, trotz Regen und Ritter.

     Doch das alles war nur ein Moment. Der Maler lachte laut auf, der Ritter lachte mit, und der alte Torwart lachte im Echo: da wurde der Kopf frei. Ein anderer als der Maler, hätte keineswegs gelacht, trotzdem ärgerte es ihn fürchterlich, daß der Ritter mitgelacht hatte, statt zu toben und zu wüten, und dieser Ärger gab ihm seinen ganzen Stolz zurück.

     Fest und feierlich trat er vor dem alten Herrn. Er deutete auf die prächtigen Bilder und sagte gerade wie immer, diese Tafeln seien so gut und pünktlich zu Ende gediehen, nicht durch die Langweile des Kerkers, sondern einzig und allein durch die Beihilfe der reizenden Susanne, Sie nur habe des Ritters Wort vor den Nothelfern gerettet. Die hundert Goldgulden begehre er nicht für eine durch Gewalttat erpreßte Arbeit; für das, was er frei getan, habe es bereits den höchsten Preis gewonnen, Susannes Liebe – keine Macht könne ihre Herzen wieder auseinander reißen, das stehe jetzt so fest und fertig, wie sämtliche vierzehn Nothelfer. Und also bitte er ihn um Susannes Hand.

     Der Ritter lachte abermals, daß es von den Gewölben widerhallte. „Susannen wollt ihr heiraten? Nun, ich habe durchaus nichts dagegen, wenn ich auch als Herr von Haltenberg eigenen Einwand erheben könnte. Allein ihr solltet doch zuerst den Vater des Mädchens fragen!“ – und er deutete auf – den Torwart. Dieser aber trat vor und sprach: „Wenn Susanne einmal heiratet, dann muß es ein Mann sein, der in ordentlichem Herrendienste steht und festes Brot hat und kein windiger Maler, den man einsperren muß, damit er seine Schuldigkeit tut.“

     Konrad wußte nicht, wie ihm geschah. Über und über errötend vermochte er nur verworrene Fragen zu stammeln, welche der Ritter wiederum kaum begriff; zur faßte dieser zuletzt wenigstens so viel, daß er’s für dienlich zum allseitigen Verständnis hielt, dem Maler zu erklären, Susanne sei keineswegs seine Tochter, sondern die Kammerjungfer seiner Frau und seines treuen alten Dienstmannes, des Torwarts, eheliches Kind.

     Der hatte inzwischen das Mädchen herbeigeholt, um es unter harten Worten dem armen Moler wie zum Verhör gegenüber zu stellen.

     Aus tiefer Scham erwachte dieser jetzt zu kochendem Zorn. Er sah sich betrogen von Susannen, die vor ihm das Fräulein gespielt, vielleicht gar im Komplott mit seinen beiden Kerkermeistern.

     Und als sich das Mädchen mit Tränen im Auge und doch fest und hoffnungssicher ihm näherte, stieß er sie hinweg und rief: „Ich glaubte einen ehrbaren Fräulein Lieb’ und Treue geschworen zu haben; einer buhlerischen Dienstmagd gilt mein Wort nicht!“

     Susanne hatte genug von dem Vorhergegangenen gehört, um den Sinn dieser Worte zu begreifen. Lautlos, totenbleich, mit zitternden Lippen,