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Ein Bild aus dem Übergang 1798.


     Der steht, sehe zu, daß er nicht falle, und wer fällt, der trachte danach, daß er wieder aufstehe. Ist er etwas wert, so mag es ihm gelingen, mit Gottes Hülfe; will Gott nicht und taugt er nichts, ist faul bis ins Mark hinein, bleibt er liegen, wie es auch am allerbesten ist. Nach fünfhundertjährigem ruhmreichem Bestehen machte Bern die Probe; es fiel, aber es bleibt nicht liegen; in dem gebrochenen Stamme blüht ein neues Leben auf, denn der Stamm war nicht faul bis ins Mark hinein.

     Mit Leben und Sterben geht’s gar kurios. Glaubt man sich am besten d’ran, kömmt der Tod daher; und meint man, jetzt greife er zu und alles sei aus, so ist er weg und kömmt nicht wieder, einstweilen heißt das. Das erfuhr ein armes Webermannli am selbigen Tage, an welchem Bern fiel.

     Schon lange war’s, daß es in Frankreich unruhig war, sumste und brummte wie in einem Bienenkorbe, der stoßen will, und gäb wie er stieß, Schwarm auf Schwarm davon flog, so ward es doch nicht stille, es sumste und brauste fort. Schwarm auf Schwarm flog aus, es war als wolle Frankreich noch ein Frankreich gebären, als soll Himmel und Erde ein Frankreich werden. Endlich im Jahre 1798 kamen die Schwärme auch über die alten Berge her, frugen nicht, ob’s erlaubt sei oder nicht, und wehren half nichts, und wo was geflogen kommt, helfen Tor und Riegel nicht. Das Sausen und Brausen in Frankreich hatte schon frühe ein Jucken in unserer alten Schweiz erzeugt, und goldene Verheißungen waren dazu gekommen und fürs Teufels Gewalt wollte man auch surren und summen, an’s Schwärmen dachte man freilich nicht, und worauf es eigentlich abgesehen war, merkte man nicht. Die Berner, auf die oder vielmehr auf deren Geld es eigentlich abgesehen war, standen am Anrichtloch; im Welschland setzte der Franzose sich fest und manöverierte einen halben Winter in Berngebiet hinüber mit seinem surrenden, brausenden und ansteckenden Sumsen.

     Die Franzosen verstanden den Pfiff: das Eisen machten sie heiß, ehe sie es klopften, und in den Brei bliesen sie, ehe sie drein bissen; sie liebten nicht, sich das Maul unnötig zu verbrennen. Es geriet ihnen nur zu gut bei den dummen Schweizern, sie bissen an die Angel. Die Franzosen sagten nämlich nicht, haltet den Kopf dar, er muß abgehauen sein und nachher wird der Rest gefressen, sondern sie sagten, surret und summet, so sollt ihr Brüder heißen, und lieb werden wir euch haben zum Fressen. Das nahmen viele für bar an, nur die Berner nicht, wollten nicht daran glauben, und das Sausen und das Schwadern gefiel ihnen überhaupt nicht. Desto besser gefiel es den lieben Eidgenossen, und zwar so, daß nach den Berhandlungen der letzten Zeit man über ihre bundesbrüderlichen Gesinnungen einigermaßen im Zweifel sein konnte. Indessen tat man holdselig gegeneinander und es hieß, wenn Bern seine aristokratische Regierungsform weg täte, wollte man ihm brüderlich helfen, wenn es nötig sei; werde es aber nicht sein, da die Franzosen nur den Aristokraten den Krieg machen, mit allen andern Menschen Brüder sein wollten. Da gab es Unterhandlungen zwischen Gutmütigkeit und Treulosigkeit, zwischen Menschen, die das Beste suchten und Menschen, die fest das Schlechte wollten; Unterhandlungen, daß wer sie liest, bald stumm, bald zornig, am Ende zu der Weisheit kommt, daß zwischen Wind und Wellen nur kräftige, rücksichtslose Entschlossenheit retten, daß laue Freunde, perfide Bundesgenossen gefährlicher sind als offene Feinde. Dama’s waren die Berner nicht witzig. Seit Jahrhunderten hatten sie andern geholfen,