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auffasste. Winckelmann verwendet die Reste der menandrischen Dichtung, die er übrigens, so viel ich weiß, nur in dem Schmutze des Clericus kannte, zur Charakteristik der gleichzeitigen Kunst: uns lassen die glücklichen Funde der letzten Jahre vielmehr in der zierlichen Kleinkunst, wie sie vor allem boiotische und megarische, auch athenische Gräber ans Licht gebracht haben, die lebensvolle Illustration wie zu den Caricaturen der theophraetischen Charactere so zu der anmuthigen Hetärenwelt Menanders erblicken. So reinen und unmittelbaren Genuss wie die Tanagräerinnen würden uns schwerlich selbst die vollständigen Dichtungen jener Zeiten gewähren; aber derselbe Geist ist es, der auch aus ihnen spricht, und von der vornehmen aber lieblichen Grazie, von dem nicht tiefen aber feinen Gemüthe, von dem scharf beobachtenden aber wohlwollenden Humor, den die wundervolle Statue des Dichters in der Galleria delle statue zeigt, weht, dünkt mich, auch ein Hauch noch in den zerrissenen Resten seines ‚Pessimisten‘.

Doch es ist Zeit, dass wir ihn zu Worte kommen lassen. Bei der Reconstruction aber muss man in jedem einzelnen Punkte unbedingte Sicherheit erreichen auch nicht einmal wollen: demgemäß begründe ich meine Ergänzungen nur wo es mir besonders angezeigt erscheint; es mag sich einzeln etwas besseres, öfters etwas gleichwerthiges finden lassen, aber die Mehrzahl der Möglichkeiten, die die Zukunft zweifelsohne vorbringen wird, werde ich wohl auch bedacht und verworfen haben. Von Cobet bin ich nirgend aus subjectivem Gefühle, sondern nur wo ich präcisierbare Gründe zu haben glaube abgewichen: ich betrachte solche Versuche als keine Spielerei müßigen Scharfsinnes, sondern als ernsthafte Wissenschaft, und möchte den der mich verurtheilen will erst bitten selbst den Ergänzungsversuch im ganzen zu wagen. Aber vorausschicken will ich noch ein menandrisches Bruchstück, dessen Zugehörigkeit zu diesem Zusammenhange Cobet erkannt hat, ohne dass es möglich wäre, den Zusammenhang genauer zu bestimmen. Es ist eine Anrede des Onkels an Pheidias und steht in Plutarchs Trostschrift an Apollonios 103c

εἰ γὰρ ἐγένου σύ, τρόφιμε, τῶν πάντων μόνος,
ὅτ’ ἔτικτεν ἡ μήτηρ σ’, ἐφ’ ᾧ τε διατελεῖν
πράττων ἃ βούλει καὶ διευτυχῶν ἀεί, καὶ τοῦτο τῶν θεῶν τις ὡμολόγησέ σοι,
ὀρθῶς ἀγανακτεῖς, ἔστι γάρ σ’ ἐψευσμένος

Empfohlene Zitierweise:
Ulrich von Wilamowitz-Moellendorff: Der Pessimist des Menandros aus Hermes. Zeitschrift für classische Philologie Bd. 11. Berlin: Weidmannsche Buchhandlung, 1877, Seite 503. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Hermes_11_503.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)