Seite:Internationale Bibliothek (Müller, New York, 1887-1891) Heft 03 Seite 06.jpg

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Johann Most: Die Gottespest

Umständen das „Fegefeuer“ vorgesehen, welches sich von der „Hölle“ ungefähr so unterscheidet, wie in Preussen das Gefängniss vom Zuchthaus; es ist nur für verhältnissmässig kurzzeitige Insassen eingerichtet und hat etwas leichtere Disciplin. Immerhin brennt es auch im Fegefeuer ganz „gottsträflich“. Sogenannte „Todsünden“ werden indessen nie mit Fegefeuer, sondern stets nur mit Hölle geahndet. Hierher gehört z. B. „Gotteslästerung,“ begangen durch Wort, Schrift und Gedanken. Gott duldet also in dieser Beziehung nicht nur weder Press-, noch Redefreiheit, sondern er trifft auch schon die unausgesprochenen Gedanken. Ueberbietet er somit schon an und für sich an Rüppelhaftigkeit selbst die schuftigsten Despoten aller Länder und Zeiten, so thut er dies weit mehr noch hinsichtlich der Art und Dauer seiner Strafmittel. Dieser Gott ist also das denkbar entsetzlichste Scheusal.

Sein Verhalten ist um so infamer, als er von sich behaupten lässt, dass die ganze Welt und namentlich auch die Menschheit in all’ ihrem Thun und Lassen durch seine „göttliche Vorsehung“ regulirt wird. Er malträtirt also die Menschen für Handlungen, deren Urheber er selber ist! Wie liebenswürdig sind gegenüber diesem Ungeheuer die Tyrannen der Erde aus vergangener und gegenwärtiger Zeit! – –

Gefällt es Gott aber, einen Menschen nach seinen Begriffen gut leben und sterben zu lassen, so – malträtirt er ihn erst recht. Denn der versprochene „Himmel“ ist, wenn man ihn genau betrachtet, noch ein viel heilloserer Platz, als die Hölle. Man hat da gar keine Bedürfnisse, sondern ist immer befriedigt, ohne dass je ein Verlangen nach irgend einer Sache der Befriedigung voraus ginge. Da aber ohne Verlangen und Erlangen gar kein Genuss denkbar ist, so ist das Dasein im Himmel rein genusslos. Man ist da ewig im Anschauen Gottes versunken; es wird immer auf den nämlichen Harfen dieselbe Melodie gespielt; man singt fortwährend das „neue Lied, das schöne Lied,“ wenn auch nicht „von dem versoff’nen Nagelschmied“, so doch kaum Anregenderes. Das ist die höchste Potenz der Langweiligkeit. Der Aufenthalt in einer Isolirzelle wäre entschieden vorzuziehen.

Kein Wunder, dass Diejenigen, welche reich und mächtig genug sind, das Paradies auf Erden zu geniessen, unter sich mit Heine lachend ausrufen:

„Den Himmel überlassen wir
Den Engeln und den Spatzen.“

Und doch sind es gerade die Reichen und Mächtigen, welche den Gottesblödsinn und die Religionsduselei hegen und pflegen. Es gehört das entschieden zum Geschäft.

Ja, es ist für die herrschenden und ausbeutenden Klassen geradezu Lebensfrage, ob das Volk religiös versimpelt wird oder nicht. Mit dem Religionswahnsinn steht und fällt ihre Macht.

Je mehr der Mensch an der Religion hängt, desto mehr glaubt er. Je mehr er glaubt, desto weniger weiss er. Je weniger er weiss, desto dümmer ist er. Je dümmer er ist, desto leichter kann er regiert werden! – –