Seite:Internationale Bibliothek (Müller, New York, 1887-1891) Heft 03 Seite 07.jpg

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Johann Most: Die Gottespest

Dieser Gedankengang war den Tyrannen aller Länder und Zeiten geläufig; daher standen sie auch stets mit den Pfaffen im Bunde. Gelegentliche Streitigkeiten zwischen diesen beiden Sorten von Menschenfeinden waren sozusagen nur häuslicher Hader um die Obergewalt. Jeder Pfaff’ weiss, dass er ausgespielt hat, so bald die „oberen Zehntausend“ ihm nicht mehr unter die Arme greifen. Jedem Reichen und Mächtigen ist es kein Geheimniss, dass der Mensch nur dann geknechtet und ausgebeutet werden kann, wenn die Schwarzkünstler irgend einer Kirche es fertig bringen, genügenden Sklavensinn in die Herzen der Volksmassen zu pflanzen, denselben die Erde als ein „Jammerthal“ erscheinen zu lassen, ihnen das „göttliche“ Diktat: „Seid unterthan der Obrigkeit!“ einzutrichtern und sie mit einer angeblichen Extrawurst, welche nach dem Tode im unbekannten Wolkenkukuksheim gebraten werden soll, abzuspeisen.

Der Erzjesuit Windhorst liess einmal im deutschen Reichstag in der Hitze des Gefechtes deutlich genug erkennen, wie die Schwindler und Gauner der Welt über diesen Punkt denken.

„Wenn im Volke der Glaube zerstört wird – sagte er – kann es das viele Elend nicht mehr ertragen und rebellirt!“ – – das war deutlich und hätte jeden Arbeiter zum Nachdenken anregen sollen, würde ihn auch stutzig gemacht haben, wenn – ja wenn nicht so Viele religiös zu vernagelt wären, um noch im Stande zu sein, mit normalen Ohren zu hören und einfache Dinge zu begreifen.

Umsonst haben die Pfaffen – das heisst: die schwarzen Gensdarmen des Despotismus – sich nicht stets so ungeheuer abgemüht, den Rückgang des religiösen Wesens aufzuhalten, obwohl sie selbst bekanntlich unter sich vor Lachen bersten möchten ob des Blödsinns, den sie gegen gute Bezahlung predigen.

Jahrtausende hindurch haben diese Gehirnverhunzer einfach ein Schreckensregiment geführt, ohne welches die religiöse Tollhäuslerei längst ein Ende genommen hätte. Galgen und Schwert, Kerker und Ketten, Gift und Dolch, Meuchel- und Justizmord – das waren ihre Mittel zur Aufrechterhaltung dieses Wahnsinns, der ein ewiger Schandfleck in der Geschichte der Menschheit bleiben wird. Hunderttausende sind auf Scheiterhaufen langsam „im Namen Gottes“ geröstet worden, weil sie es gewagt, den biblischen Mist stinkend zu finden. Millionen von Menschen wurden gezwungen, sich in langwierigen Kriegen die Köpfe gegenseitig einzuschlagen, ganze Länder zu verwüsten und nach Mord und Brand die Pest zu erzeugen – nur damit die Religion erhalten blieb. Die raffinirtesten Foltern wurden seitens der Pfaffen und ihrer Helfershelfer ersonnen, wenn es galt, Diejenigen, welche vor Gott keine Furcht mehr hatten, durch irdische Teufeleien neuerdings in Religiosität hinein zu schrecken.

Man nennt einen Menschen einen Verbrecher, der Anderen Hände oder Füsse verstümmelt. Wie soll man Jene bezeichnen, welche das Hirn zu Grunde richten, und, wenn ihnen das nicht gelingen will, den ganzen Körper mit ausgesuchter Grausamkeit Zoll für Zoll verderben?