Seite:Kafka Beim Bau der Chinesischen Mauer 049.jpg

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Glücklich warf ich, ehe ich den Bord betrat, das Lumpenpack der Büchse, der Tasche, des Jagdgewehrs vor mir hinunter, das ich immer stolz getragen hatte, und in das Totenhemd schlüpfte ich wie ein Mädchen ins Hochzeitskleid. Hier lag ich und wartete. Dann geschah das Unglück.“

„Ein schlimmes Schicksal“, sagte der Bürgermeister mit abwehrend erhobener Hand. „Und Sie tragen gar keine Schuld daran?“

„Keine“, sagte der Jäger, „ich war Jäger, ist das etwa eine Schuld? Aufgestellt war ich als Jäger im Schwarzwald, wo es damals noch Wölfe gab. Ich lauerte auf, schoß, traf, zog das Fell ab, ist das eine Schuld? Meine Arbeit wurde gesegnet. ,Der große Jäger vom Schwarzwald’ hieß ich. Ist das eine Schuld?“

„Ich bin nicht berufen, das zu entscheiden“, sagte der Bürgermeister, „doch scheint auch mir keine Schuld darin zu liegen. Aber wer trägt denn die Schuld?“

„Der Bootsmann“, sagte der Jäger. „Niemand wird lesen, was ich hier schreibe, niemand wird kommen, mir zu helfen; wäre als Aufgabe gesetzt mir zu helfen, so blieben alle Türen aller Häuser geschlossen, alle Fenster geschlossen, alle liegen in den Betten, die Decken über den Kopf geschlagen, eine nächtliche Herberge die ganze Erde. Das hat guten Sinn, denn niemand weiß von mir, und wüßte er von mir, so wüßte er meinen Aufenthalt nicht, und wüßte er meinen Aufenthalt, so wüßte er mich dort nicht festzuhalten,

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Franz Kafka: Beim Bau der Chinesischen Mauer (Sammelband). Gustav Kiepenheuer, Berlin 1931, Seite 49. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kafka_Beim_Bau_der_Chinesischen_Mauer_049.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)