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     Selbst der Schmieder Ilmarinen,
Er, der ew’ge Schmiedekünstler,
Flehte nun zu Ukko oben,

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Betet also zu dem Donn’rer:

„Sende frischen Schnee, o Ukko,
Lasse weiche Flocken fallen,
Daß der Schlitten drüber gleite,
Auf dem Schnee vorübersause!“
     Frischen Schnee entsandte Ukko,
Ließ die weichen Flocken fallen,
Deckt der Heidekräuter Stiele
Und verbirgt die Beerenbüschel.
     Selbst der Schmieder Ilmarinen

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Setzt sich in den Eisenschlitten,

Redet Worte solcher Weise,
Läßt auf diese Art sich hören:
„Glück, sei nun bei meinen Zügeln,
Gott beschütze du den Schlitten,
Nicht Zerreißt das Glück die Zügel,
Nicht zerschmettert Gott den Schlitten!“
     Raffet mit der Hand die Zügel,
Mit der andern dann die Peitsche,
Schlägt das Roß mit seiner Peitsche,

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Redet selber diese Worte:

„Weißstirn, jage nun von dannen,
Tummle dich mit Flachsesmähnen!“
     Springend jagt das Roß des Weges
An des Meeres sand’gem Ufer,
An dem Rand des Honigholmes,
An des Erlenhügels Seite,
Jagte lärmend hin am Strande,
Rauschend durch den Sand am Ufer,
In die Augen fliegt der Flugsand

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Und das Meer sprützt in den Busen.

     Jagte einen Tag, den zweiten,
Jagte auch am dritten Tage,
Endlich an dem dritten Tage,
Holt er ein den Wäinämöinen,
Redet Worte solcher Weise,
Läßt auf diese Art sich hören:
„O du alter Wäinämöinen,
Laß uns friedlich uns vergleichen,
Daß, obwohl wir um die Wette

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Um die Jungfrau uns bewerben,

Sie nicht wider ihren Willen,
Sondern frei dem Manne folge!“
     Sprach der alte Wäinämöinen:
„Will in Frieden mich vergleichen,
Nicht mit Kraft sie fortzuführen,
Wider ihren Willen nimmer:
Daß sie dem gegeben werde,
Welchem sie sich selbst bestimmet,
Werd’ nicht lange Feindschaft tragen

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Und nicht großen Ärger hegen.“

     Fahren drauf des Weges fürder,
Jeglicher auf seinem Wege,
Rauschend fuhr das Boot am Strande,
Rasch das Roß, die Erde bebte.
     Wenig Zeit war hingegangen,
Kaum ein Augenblick verflossen,
Sieh, da bellte schon der Haushund
Und des Schlosses Hündin kläffte
In dem nimmerhellen Nordland,

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In dem mächt’gen Sariola;

Früher mukste er weit leiser,
Brummte seltener der Haushund,
Auf dem Ackerrain gelagert,
Mit dem Schwanz den Boden schlagend.
     Sprach der Hauswirth von Pohjola:
„Gehe, Tochter, zuzuschauen,
Was der dunkle Hund gebellet,
Angeschlagen er, der Langohr!“
     Klüglich antwortet die Tochter:

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„Bin nicht unbeschäftigt, Vater,

Muß den großen Stall besorgen,
Muß die große Heerde hüten,
Muß mit großem Steine mahlen,
Fein das Mehl durch Siebe lassen,
Feines Mehl bei dicken Steinen,
Habe wenig Kraft beim Mahlen.“
     Leise bellt’ des Schlosses Unhold,
Selten knurrte er voll Ärger,
Sprach der Hauswirth von Pohjola:

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„Gehe, Alte, zuzuschauen,
Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 101. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_101.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)