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Neunzehnte Rune.


     Selbst der Schmieder Ilmarinen,
Er, der ew’ge Schmiedekünstler,
Dringet hastig in die Stube,
Stürzet eiligst in die Wohnung.
     Honigtrank ward da gereichet,
Süßer Seim im Krug gegeben
In die Hände Ilmarinen’s;
Solche Worte sprach der Schmieder:
„Werde nicht, so lang’ ich lebe,

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Nicht, so lang’ das Mondlicht leuchtet,

Diesen Trank hieselbst berühren,
Eh’ mein Eigenthum ich schaue,
Ob nun fertig schon das Mädchen,
Derentwegen ich gewachet.“
     Sprach die Wirthin von Pohjola,
Redet’ Worte solcher Weise:
„Große Müh’ giebt die Erkor’ne,
Mühe sie, um die man wachte;
Noch nicht ist der Fuß im Schuhe,

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Und der zweite ist’s noch wen’ger:

Dann erst ist die Jungfrau fertig,
Um von dir gefreit zu werden,
Wenn ein Schlangenfeld du ackerst,
Du ein natterreiches pflügest,
Ohne daß die Pflugschar schreitet,
Ohne daß der Holzpflock bebet;
Hiisi hat es einst gepflüget,
Lempo mit dem Roß durchfurchet,
Mit der kupferreichen Pflugschar,

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Mit dem Eisen voller Feuer,

In der Hälfte ließ mein Söhnlein,
Ungeackert es einst liegen.“
     Ilmarinen, er, der Schmieder,
Gehet in der Jungfrau Stube,
Redet selber diese Worte:
„Du, der Nacht und Dämmrung Tochter,
Denkest du noch jener Zeiten,
Als den Sampo ich geschmiedet,
Als den Deckel ich gehämmert?

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Schwurest damals kräft’ge Eide

Vor dem offenbaren Gotte,
Vor des Mächt’gen Angesichte,
Gabst mir Hoffnung, daß du würdest
Mir, dem guten, braven Manne,
Mir Gefährtin für das Leben,
Als ein heißgeliebtes Hühnchen?
Nicht will dich die Mutter geben,
Mir die Tochter nicht gewähren,
Wenn ich nicht das Feld voll Schlangen,

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Nicht das natterreiche pflüge.“

     Von der Braut ward ihm da Hülfe,
Solchen Rath giebt ihm die Jungfrau:
„O du Schmieder Ilmarinen,
Du, der ew’ge Schmiedekünstler!
Schmiede eine goldne Pflugschar,
Schmück sie aus mit schönem Silber!
Wirst das Schlangenfeld dann ackern,
Wirst das natterreiche pflügen.“
     Ilmarinen, er, der Schmieder,

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Leget Gold drauf in die Esse,

Läßt das Silber dort zerschmelzen,
Schmiedet daraus eine Pflugschar,
Schmiedet Schuhe sich aus Eisen,
Beinbedeckungen von Stahl sich,
Ziehet diese an die Beine,
Deckt die Waden mit denselben,
Legt sich an ein Hemd von Eisen,
Einen Gurt von bestem Stahle,
Große Handschuh, die von Eisen,

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Holt sich Handschuh, die von Steinen,

Schaffet sich ein Roß voll Feuer,
Schirrt das schöngewachsne Füllen,
Gehet um das Feld zu pflügen,
Um den Acker zu durchfurchen.
     Schaute Köpfe, die sich drehten,
Schädel, die beständig zischten,
Redet Worte solcher Weise:
„Schlange, die von Gott geschaffen,
Wer erhob wohl deinen Rachen,

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Wer entsandte wohl und machte,
Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 105. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_105.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)