Seite:Kalewala, das National-Epos der Finnen - 107.jpg

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Gehet in des Mädchens Stube,
Redet selber solche Worte:
„Ist ein Werk mir auferleget,
Immer besser als das frühre:
Soll den großen Hecht nun fangen,

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Ihn, den fetten Fisch, erhaschen

Aus dem schwarzen Fluß Tuoni’s,
Aus den Tiefen von Manala
Ohne Garn und ohne Netze,
Ohne Werkzeug andrer Weise.
     Von der Braut ward ihm da Hülfe,
Solchen Rath gab ihm die Jungfrau:
„O du Schmieder Ilmarinen,
Sei doch nimmer solcher Stimmung!
Schmiede einen Aar aus Feuer,

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Einen großen Flammenvogel!

Dieser wird den Hecht dir fangen,
Dir den fetten Fisch erhaschen
Aus dem schwarzen Fluß Tuoni’s
Aus den Tiefen von Manala.“
     Selbst der Schmieder Ilmarinen
Er, der ew’ge Schmiedekünstler,
Schmiedet einen Aar aus Feuer,
Einen großen Flammenvogel,
Bildet Klauen ihm aus Eisen,

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Macht aus hartem Stahl die Krallen,

An die Flügel Bootesränder,
Hebt sich selber auf die Flügel,
Setzt sich auf des Vogels Rücken,
Auf des Adlers Flügelknochen.
     Solchen Rath giebt er dem Adler,
Warnet so den Flammenvogel:
„Adler, Vogel, den ich liebe,
Fliege nun, wie ich dich heiße,
Nach dem schwarzen Fluß Tuoni’s,

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Nach den Tiefen von Manala,

Pack’ den großen Hecht Tuoni’s,
Fange mir der Fische fettsten!“
     Rasch entfliegt der schöne Adler,
Er, der stattlichste der Vögel,
Um den großen Hecht zu fangen,
Diesen Fisch mit grausen Zähnen
Aus dem Flusse von Tuoni,
Aus den Tiefen von Manala,
Streift die Fluth der eine Flügel,

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Reicht der andre bis zum Himmel,

In das Meer schlägt er die Krallen,
Wetzt den Schnabel an den Klippen.
     Darauf gehet Ilmarinen,
Geht der Schmieder zu durchsuchen
Tuoni’s Fluß mit schwarzen Wogen,
Geht der Aar um dort zu spähen.
     Aus dem Wasser stieg ein Unhold,
Packte fest den Ilmarinen,
In den Nacken greift der Adler,

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Wendet um den Kopf des Unholds,

Stößt denselben in die Tiefe,
Drängt ihn in den Schmutz des Schlammmes.
     Schon erscheint der Hecht Tuoni’s,
Kommt der Wasserhund geschlichen,
War nicht von den kleinsten Hechten,
Nicht gehört er zu den größten;
Zwei der Beile lang die Zunge,
Wie der Harkenstiel die Zähne,
Wie drei Ströme breit der Rachen,

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Sieben Böte breit der Rücken,

Wollte nach dem Schmieder schnappen,
Ilmarinen gleich verzehren.
     Kam der Adler nun geschwinde,
Senkte sich der Lüfte Vogel,
Nicht gehört er zu den kleinsten,
Keineswegs auch zu den größten:
Hundert Klafter maß sein Schnabel,
Wie sechs Ströme war die Öffnung,
Sechs der Speere lang die Zunge,

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Fünf der Sensen lang die Krallen,

Spähet nach dem großen Hechte,
Nach dem flinken, fetten Fische,
Schießt herab nach diesem Fische,
Eilet zu dem großen Hechte.
     Darauf drückt der Hechte größter,
Er, der flinke, fette Schwimmer,
Stark der Adlers große Krallen

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 107. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_107.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)