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In des klaren Wassers Tiefe,
In die Höhe hebt der Adler,

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Hebt sich in die freien Lüfte,

Rühret auf des Schlammes Schwärze
Auf des Wassers blauen Rücken.
     Fliegt ein Weilchen, hält dann inne,
Will es noch einmal versuchen,
Schlägt die eine seiner Klauen
In des Hechtes grause Schulter,
In des Wasserhundes Seite,
Schlägt die andre seiner Klauen
In den Berg von hartem Stahle,

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In den Fels von festem Eisen,

Von dem Steine prallt die Klaue,
Prallte ab vom Eisenfelsen,
In die Tiefe taucht der Hecht schon
Zieht sich in des Wassers Gründe
Aus den Klau’n des großen Adlers,
Aus den Krallen dieses Vogels,
Hatte Spuren an den Seiten,
Starke Spalten an den Schultern.
     Darauf stürzt mit Eisenklauen

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Noch einmal der Aar von oben,

Feurig strahlten seine Flügel,
Feurig funkelten die Augen,
Packt den Hecht mit seinen Klauen,
Packt den Wasserhund gar kräftig,
Holt den Schuppenhecht zum Vorschein,
Rafft das Ungethüm des Wassers
Aus der Fluthen großer Tiefe
Auf des Meeres klaren Rücken.
     So erhascht der starke Adler

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Bei dem dritten Male endlich

Tuoni’s Hecht, der Fische ärgsten,
Ihn, den flinken, fetten Schwimmer,
Aus dem Fluß des Todtenreiches,
Aus den Tiefen von Manala,
Nicht erkannte man das Wasser
Vor des großen Hechtes Schuppen,
Schwer konnt’ man die Luft erkennen
Vor des großen Adlers Federn.
     Trug der Aar mit Eisenklauen

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Nun den Fisch mit starken Schuppen

In der Eiche hohe Zweige,
Auf die starkbelaubte Tanne,
Machte sich daran zu schmecken,
Schlitzte auf den Bauch des Hechtes,
Rupfte durch die Brust des Fisches,
Reißet ab den Kopf vom Rumpfe.
     Sprach der Schmieder Ilmarinen:
„Adler, du, o schlimmer Bursche,
Was bist du denn für ein Vogel,

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Was bist du denn für ein Flattrer,

Daß du jetzo schon geschmecket,
Aufgeschlitzt den Bauch des Hechtes,
Ganz zerrauft die Brust des Fisches,
Durchgebissen ihn am Kopfe!“
     Doch der Aar mit Eisenklauen
Eilte hitzig nur noch weiter,
Hob sich höher in die Lüfte,
An den Rand der langen Wolke,
Wolken bebten, Himmel brausten

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Schief gerieth des Himmels Decke,

Mitten brach des Ukko Bogen,
Selbst des Mondes Hörner brachen.
     Selber trug nun Ilmarinen,
Trug der Schmied den Kopf des Fisches
Als Geschenk zur Schwiegermutter,
Redet Worte solcher Weise:
„Dieser wird für immer dienen
Als ein Stuhl in Nordlands Stube.“
     Sprach dann Worte solcher Weise,

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Ließ auf diese Art sich hören:

„Hab’ das Schlangenfeld gepflüget,
Hab’ das Natterland durchfurchet,
Zügelte den Wolf Manala’s,
Fesselte Tuoni’s Bären,
Fing den Hecht mit starken Schuppen,
Ihn, den flinken, fetten Schwimmer,
Aus dem Fluß des Todtenreiches,
Aus den Tiefen von Manala;
Wirst die Tochter du mir geben,

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Mir die Jungfrau du verleihen?“

     Sprach die Wirthin von Pohjola:

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 108. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_108.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)