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Zweiundzwanzigste Rune.


     Als die Hochzeit man gefeiert,
Zur Genüge dort geschmauset
Auf der Hochzeit in dem Nordland,
Auf dem Fest des Düsterlandes,
Sprach die Wirthin von Pohjola
Zu dem Eidam Ilmarinen:
„Warum sitzst du, Hochgeborner,
Wachest du, o Zier des Landes,
Sitzst du zu des Vaters Besten,

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Oder zu der Mutter Liebe,

Zu dem Glanze unsrer Stube,
Zu der Zier der Hochzeitsgäste?“
     „Sitz’ nicht zu des Vaters Besten,
Nicht aus Liebe zu der Mutter,
Nicht zum Glanze unsrer Stube,
Zu der Zier der Hochzeitsgäste,
Sitze zu der Jungfrau Besten,
Sitz’ aus Liebe zu dem Mädchen,
Zu dem Glanz der Heißgeliebten,

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Zu der Zier der Schöngelockten.“

     „Bräutigam, mein lieber Bruder,
Warte noch nach langem Warten,
Nicht ist die Geliebte fertig,
Nicht gerüstet die Genossin,
Halb nur ist das Haar geflochten,
Ungeflochten ist die Hälfte.“
     „Bräutigam, mein lieber Bruder,
Warte noch nach langem Warten,
Nicht ist die Geliebte fertig,

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Nicht gerüstet die Genossin,

Angezogen ist ein Ärmel,
Ungefüllet ist der andre.“
     „Bräutigam, mein lieber Bruder,
Warte noch nach langem Warten,
Nicht ist die Geliebte fertig,
Nicht gerüstet die Genossin,
Schon beschuht an einem Fuße,
An dem andern nicht beschuhet.“
     „Bräutigam, mein lieber Bruder,

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Warte noch nach langem Warten,

Nicht ist die Geliebte fertig,
Nicht gerüstet die Genossin,
Eine Hand steckt schon im Handschuh,
Unbedecket ist die andre.“
     „Bräutigam, mein lieber Bruder,
Hast gewartet unermüdlich,
Fertig ist nun die Geliebte,
Ganz gerüstet nun dein Entlein.“
     „Gehe nun, verkaufte Jungfrau,

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Folge du, erkauftes Hühnchen!

Nah’ bei dir ist die Verbindung,
In der Nähe schon die Trennung,
Bei dir steht der dich entführet
In der Thür der dich geleitet,
Schon zerbeißt das Roß die Zügel
Und der Schlitten harret deiner.“
     „Warst zum Geld du bald geneiget,
Warst du rasch die Hand zu geben,
Hitzig das Geschenk zu nehmen,

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Dir den Ring rasch anzustecken,

O, so sei nun hold dem Schlitten,
Hitzig dahin einzusteigen,
Rasch nun nach dem Dorf zu gehen,
Voller Eile fortzureisen!“
     „Hast nicht viel, o junges Mädchen,
Hingeblickt nach beiden Seiten,
Über deinen Kopf geschauet,
Schloss’st du einen Kauf voll Reue,
Voller Thränen für dein Leben,

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Mit Gewimmer für die Jahre,

Daß das Vaterhaus verlassen,
Von der Heimath du gezogen,
Von der lieben Mutter Seite,
Aus dem Aufenthalt der Theuern.“
     „Wie so schön war dir das Leben
In des Vaters Wohngebäuden,
Wuchsest wie ein zartes Blümlein,
Wie die Erdbeer’ auf dem Felde,
Stiegst in Butter aus dem Bette,

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In die Milch du von dem Schlafe,
Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 126. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_126.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)