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Also webt des Mondes Tochter,
Also webt die Sonnentochter,
So des großen Bären Tochter,
So der schönen Sterne Tochter.“’
     „Bräutigam, mein lieber Jüngling,
Schöner Sproß des Männerstammes!
Machest du dich auf die Reise,
Fährst du dann von dieser Stelle
Mit der schönen Jungfrau weiter,

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Mit dem wunderhübschen Hühnchen,

O, so führe nicht die Meise,
Dieses schöne Leinwandvöglein,
Führe du sie nicht in Gruben,
Fahr’ nicht gegen Zaunes Ecken,
Laß sie nicht auf Stämme fallen,
Laß sie nicht auf Steine stürzen!
Niemals ist im Haus des Vaters,
Niemals in dem Hof der Mutter
Je in Gruben sie gefahren,

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Niemals gegen Zaunes Ecken,

Umgeworfen nicht auf Stämme,
Nicht auf Steine hingestürzet.“
     „Bräutigam, du lieber Jüngling,
Schöner Sproß des Männerstammes!
Führe nimmer du die Jungfrau,
Lasse nie dein Schätzlein fahren,
Daß sie an den Ecken walte,
Daß sie in den Winkeln wühle!
Niemals hat im Haus des Vaters,

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Niemals in der Mutter Stube

In der Ecke sie gewaltet,
In den Winkeln sie gewühlet,
Saß beständig an dem Fenster,
Wiegt’ sich auf dem Mittelbrette
Abends zu des Vaters Freude,
Morgens zu der Mutter Wonne.“
     „Niemals magst du, armer Gatte,
Niemals dieses Hühnchen führen
Zu dem Mörser, der voll Sumpfkraut,

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Um die Rinde dort zu stoßen,

Brot aus schlechtem Stroh zu backen,
Tannenrinde dort zu kneten!
Niemals ist im Haus der Vaters,
Nie im Hof der schönen Mutter
Sie geführet zu dem Mörser,
Um die Rinde drin zu stoßen,
Brot aus schlechtem Stroh zu backen,
Tannenrinde dort zu kneten!“
     „Führen magst du dieses Hühnchen

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Auf getreidereiche Fluren,

Aus der Roggenlad’ zu schöpfen,
Aus der Gerstenlad’ zu nehmen,
Starkes Brot zurecht zu kneten,
Gutes Bier daraus zu brauen,
Weizenbröte schön zu backen,
Um den Teig zurecht zu klopfen!“
     „Bräutigam, mein lieber Bruder,
Mögst du nimmer dieses Hühnchen,
Niemals unser liebes Gänschen

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Je zu Thränen kommen lassen!

Käme je ein schlechtes Stündchen,
Hätt’ die Jungfrau lange Weile,
Spann’ den Braunen an die Deichsel,
In’s Geschirre du den Schimmel,
Bring’ in’s Vaterhaus die Jungfrau,
Nach der lieben Mutter Stube!“
     „Niemals mögst du dieses Hühnchen,
Niemals unser Leinwandvöglein
Gleich der Dienerin behandeln,

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Der bezahlten Magd gleichhalten,

Nie den Keller ihr verbieten,
Nie die Vorrathskammer schließen!
Niemals hat im Vaterhause,
In dem Hof der lieben Mutter
Sie als Dienerin gegolten,
Ist der Magd sie gleichgestellet,
Nie vom Keller abgehalten,
Nimmer von dem Vorrathshause;
Schnitt das Weizenbrot beständig,

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Schaute nach den Hühnereiern,

Auf der Milchgefäße Reihen,
Auf der Biergefäße Inhalt,
Morgens that sie auf die Kammer,
Abends schloß sie ihre Thüre.“

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 145. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_145.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)