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In dem Haufen kräft’ger Helden,
In den Schaaren muth’ger Männer!“
     Drauf beeilt sich Lemminkäinen

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In den Schlitten sich zu setzen;

Schlug das Roß mit seiner Gerte,
Schlug es mit der perlenreichen,
Munter flog das Roß von dannen,
Rauscht das Pferd mit ihm in’s Weite.
     War ein wenig nur gefahren,
Nur ein Stündchen weit gereiset,
Sieht da eine Birkhahnheerde,
In die Höhe fliegt die Heerde,
Hastig rauschen fort die Vögel

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Vor dem Lauf des muth’gen Rosses.

     Liegen bleiben ein’ge Federn
Auf dem Weg von Birkhahnflügeln,
Diese sammelt Lemminkäinen,
Stecket sie in seine Tasche,
Wußte nicht, was kommen könnte,
Was geschehen auf der Strecke;
Alles kann im Haus man brauchen,
Kann in Noth zu Statten kommen.
     Fuhr ein wenig nur noch weiter,

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Wanderte ein Stücklein Weges,

Da begann das Roß zu wiehern,
Blieb das Breitgeöhrte stehen.
     Selbst der muntre Lemminkäinen,
Er, der schöne Kaukomieli,
Hebet sich auf seinem Sitze,
Bückte sich um zuzuschauen;
Sieht, wie’s seine Mutter sagte,
Wie die Alte ihm bekräftigt:
Stehet grad ein Fluß voll Feuer

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Vor dem Pferde in die Quere,

In dem Fluß ein Sturz voll Feuer,
In dem Sturz ein Fels voll Feuer,
Auf dem Fels ein Feuerhügel,
Auf dem Holm ein Feueradler,
Seine Kehle schäumet Feuer,
In dem Schlunde fließen Flammen,
Feurig flammen seine Federn,
Funkeln von dem Glanz des Feuers.
     Lange sah er schon den Kauko,

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Schon von ferne Lemminkäinen:

„Wohin willst du, Kauko, gehen,
Wohin Lemminkäinen reisen?“
     Sprach der muntre Lemminkäinen,
Er, der schöne Kaukomieli:
„Gehe zu dem Schmaus Pohjola’s,
Zum Gelag des stillen Haufens;
Wende dich zur Seit’ ein wenig,
Geh’ ein wenig aus dem Wege,
Laß den Wandersmann nach vorne

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Und zumal den Lemminkäinen,

Seitwärts laß ihn weiter reisen,
An der Kante vorwärts ziehen!“
     Solche Antwort gab der Adler,
Kreischend mit der Feuerkehle:
„Lasse wohl den Wandrer vorwärts
Und zumal den Lemminkäinen,
Lass’ durch meinen Schlund ihn schreiten,
Ihn durch meine Kehle wandern,
Dorthin soll dein Weg dich führen,

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Dorthin sollst von hier du ziehen

Zu dem langen Gastgebote
Zu dem Sitze ohne Ende.“
     Wenig achtet’s Lemminkäinen,
War darum nicht sehr in Sorgen,
Greifet rasch in seine Tasche,
Fährt behend in seinen Beutel,
Nimmt die Federn von dem Birkhahn,
Reibt dieselben rasch in Flocken
Zwischen seinen beiden Händen,

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In dem Raume seiner Finger;

Da entstand ein Birkhuhnhaufen,
Eine Schaar von Haselhühnern,
Stößt sie in den Schlund des Adlers,
In den Rachen ihm als Nahrung,
In die Kehle voller Feuer,
In des Flammenvogels Zähne;
Selber kam er so von dannen,
Macht sich frei am ersten Tage.
     Schlug das Roß mit seiner Gerte,

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Lärmte mit der perlenreichen,
Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 165. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_165.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)