Seite:Kalewala, das National-Epos der Finnen - 172.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

     Greifet nun in seine Tasche,
Suchet nun in seinem Beutel,
Holt zum Vorschein eine Angel,
Aus der Tasch’ den Widerhaken,
Läßt ihn in den Krug dann sinken,

170
In das Bier hinab ihn fallen,

An die Angel packen Schlangen,
An den Haken böse Nattern,
Ziehet dorten hundert Frösche,
Tausend rabenschwarze Würmer,
Wirft dieselben auf den Boden,
Wirft sie alle auf die Diele;
Ziehet dann sein scharfes Messer,
Aus der Scheid’ das wilde Eisen,
Schnitt die Köpfe ab den Schlangen,

180
Spaltete den Hals der Nattern,

Trank das Bier dann mit Behagen,
Voller Lust den Meth, den dunkeln,
Redet Worte solcher Weise:
„Kam wohl nicht als Gast gelegen,
Da man mir kein Bier gegeben,
Das da besser wär’ zu trinken,
Nicht mit voller Hand es reichte,
Nicht in größerem Gefäße,
Daß man keinen Hammel schlachtet,

190
Keinen großen Stier erschlagen,

In die Stub’ den Ochsen schaffet,
In das Haus den Hufenträger.“
     Selbst der Hauswirth von Pohjola
Redet Worte solcher Weise:
„Weßhalb bist du hergekommen,
Wer denn hat dich eingeladen?“
     Sprach der muntre Lemminkäinen,
Er, der schöne Kaukomieli:
„Schön wohl ist der Gast gebeten,

200
Schöner ist er ungebeten;

Höre, Sohn des Pohjaländers,
Selber du, o Wirth Pohjola’s,
Gieb mir Bier für baare Zahlung,
Gieb für Geld mir nun zu trinken!“
     Ward der Hauswirth von Pohjola
Unwirsch und gar sehr verdrießlich,
Wurde böse, wurde zornig,
Zaubert auf der Erd’ ein Teichlein
Vor die Füße Lemminkäinen’s,

210
Redet Worte solcher Weise:

„Dorten ist ein Fluß zum Trinken,
Ist ein See dir auszuschlürfen.“
     Wenig kümmert’s Lemminkäinen,
Redet Worte solcher Weise:
„Bin kein Kalb von einem Weibe,
Bin kein Ochs mit einem Schweife,
Der des Flusses Wasser trinken,
Pfützenwasser lecken möchte.“
     Selber fing er an zu zaubern,

220
Legt sich selber nun auf’s Singen,

Zaubert einen Stier am Boden,
Einen Stier mit goldnen Hörnern,
Dieser schlürfet aus die Pfütze,
Trinkt das Wasser mit Behagen.
     Doch der lange Sohn des Nordens
Schaffet einen Wolf durch Zauber,
Setzt ihn auf der Stube Boden
Zu des fetten Stiers Verderben.
     Lemminkäinen voller Frohsinn

230
Zaubert einen weißen Hasen,

Daß er auf dem Boden springe
Vor dem Rachen jenes Wolfes.
     Doch der lange Sohn des Nordens
Zaubert einen Hund gefräßig,
Daß er jenen Hasen tödte,
Daß den Schielaug’ er zerreiße.
     Lemminkäinen voller Frohsinn
Zaubert auf das Dach ein Eichhorn,
Daß es auf den Sparren springe,

240
Daß der Hund dahin nun belle.

     Doch der lange Sohn des Nordens
Zaubert einen Goldbrustmarder,
Dieser trieb das nette Eichhorn
Von dem Sitze auf den Sparren.
     Lemminkäinen voller Frohsinn
Zaubert einen Fuchs voll Röthe,
Dieser fraß den Goldbrustmarder,
Tödtete den schöngefärbten.

Empfohlene Zitierweise:
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 172. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_172.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)