Schlag’ in Stücke dir den Schlitten,
Schlag’ in Trümmer seine Ränder.“
Kullerwo, der Sohn Kalerwo’s,
Er, der Knab’ mit blauen Strümpfen,
Öffnet nun die Geldeskiste,
Zeigt ihr dort das schöne Silber,
Breitet aus die schmucken Tücher,
Strümpfe mit den goldnen Kanten,
Gürtel voller Silberzierath.
Schnell entführt das Tuch die Sinne,
Ändert Gold des Mädchens Meinung,
Silber bringt sie ins Verderben,
Gold berücket ihre Einsicht.
Kullerwo, der Sohn Kalerwo’s,
Schmeichelte darauf dem Mädchen,
Flüsterte und kitzelt’ sattsam.
Eine Hand hält fest die Zügel,
An des Mädchens Brust die andre.
Darauf kos’t er mit dem Mädchen,
Machte matt die Zinngeschmückte,
Unter kupferreicher Decke,
Auf dem fleckenreichen Felle.
Schon ließ Gott den Morgen kommen,
Also spricht darauf das Mädchen,
Redet fragend diese Worte:
„Welchem Stamme bist du, Kühner,
Welchem Hause du entsprossen?
Scheinst mir aus gar großem Stamme,
Aus gar großem Vatersitze.“
Kullerwo, der Sohn Kalerwo’s,
Redet Worte solcher Weise:
„Nicht bin ich aus großem Stamme,
Bin gerade aus der Mitte,
Bin Kalerwo’s Kind voll Unglück,
Bin sein Sohn voll lauter Thorheit,
Bin sein Kind voll von Verkehrtheit;
Aber sag’ mir deine Herkunft,
Nenn’ mir dein Geschlecht, o Kecke,
Ob du bist aus großem Stamme,
Ob von hohem Vatersitze.“
Antwort gab ihm so das Mädchen,
„“Nicht bin ich aus großem Stamme,
Nicht aus großem, nicht aus kleinem,
Bin gerade aus der Mitte,
Bin Kalerwo’s Unglückstochter,
Seine Tochter voller Thorheit,
Bin sein Kind voll von Verkehrtheit.“
„Als ich noch als Kindlein weilte
In dem Haus’ der lieben Mutter,
Ging ich in den Wald nach Beeren,
Sammelt’ Erdbeer’n auf dem Boden,
An des Berges Fuße Himbeer’n,
Sammle einen Tag und schlafe,
Sammle einen Tag, den zweiten,
An dem dritten Tage aber
Fand ich nicht den Weg nach Hause;
Waldwärts führten mich die Wege,
Zu dem Dickicht alle Stege.“
„Dorten saß ich, dorten weint’ ich,
Endlich an dem dritten Tage
Stieg ich auf der Berge höchsten,
Auf die allerhöchsten Hügel,
Dorten rief ich, dorten klagt’ ich,
Antwort gaben mir die Wälder,
Brausten mir die Hügel wieder:
„Rufe nicht, du dummes Mädchen,
Lärme nicht so ohne Sinnen,
Nicht kann man dein Rufen hören,
„An dem dritten, vierten Tage,
An dem fünften, sechsten endlich
Müht’ ich mich um umzukommen
Warf ich mich um zu verderben,
Bin auf keine Art gestorben,
Unheilsvoll nicht umgekommen.“
„Wär’ ich Arme doch gestorben,
Wär’ ich Schwache umgekommen,
Elias Lönnrot, Anton Schiefner (Übers.): Kalewala, das National-Epos der Finnen. Helsingfors: J. E. Frenckell & Sohn, 1852, Seite 214. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kalewala,_das_National-Epos_der_Finnen_-_214.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)