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Friedrich Kapp: Reinhold Solger. In: Aus und über Amerika, Band 1

werden. Gleichwohl nahm Solger, ohne sich lange zu besinnen, das Ganze. Wir eilten also sofort in den Gasthof zurück und schafften sein Gepäck hinauf. Den Hauptsaal richteten wir mittelst der Möbel der übrigen Räume möglichst künstlerisch und komfortabel ein. In das eine Zimmer stellte Solger einen Koffer, in das andre einen großen Blechkasten mit steifen Halsbinden und Stehkragen nach der neuesten englischen Mode, in ein drittes ein paar Bücher und so fort, bis der Inhalt sämmtlicher Koffer vertheilt war. Dann wandelten wir befriedigt in der langen Flucht der Zimmer auf und ab, traten auf den Balkon und erfreuten uns am Sonnenuntergang. Beim Dunkelwerden steckte Solger alle Lichter auf den Kronleuchtern an und las mir, behaglich auf ein Sofa hingestreckt, einzelne Stellen aus Parny’s „Guerre des dieux“ vor, welchen ich durch ihn erst kennen lernte. Da ich nichts zu thun hatte und nichts andres wollte, als die Zeit in guter Gesellschaft und in der schönen Natur todtschlagen, und da wir außerdem viele gemeinschaftliche Freunde und geistige Beziehungen hatten, so wurden wir sehr bald genau mit einander bekannt und streiften mehrere Tage in den schönen Bergen und Thälern von Heidelberg umher. Es war eine schöne und genußreiche Zeit, welche zugleich sehr lehrreich für mich wurde. Mir gefiel besonders Solger’s sicheres und bestimmtes Urtheil, sein kategorisches Eintreten für seine Ansichten und ihre klare ruhige Begründung, wenn ihm Widerspruch begegnete. Namentlich eröffneten mir seine anschaulichen und anziehenden Schilderungen des englischen Wesens, welches ich bisher nur nach der konstitutionellen Schablone zu beurtheilen gelernt hatte, ganz neue Blicke in den thatkräftigen Realismus dieses Volkes, von welchem Solger’s mannhafter Charakter sich besonders angezogen fühlte. „Trotz ihres furchtbaren Egoismus[1] – das






  1. So heißt es Stanze 14 und 15 des „Untergang“:

    England! Du hast gehammert und geschmiedet,
         Gestrickt, gewalkt, gewirkt, geappretir’t,
    Gebohrt, geschärft, gekocht, gedampft, gesiedet,
         Geschachert, prachert, wuchert, spekulirt,
    Gelogen und betrogen unermüdet,
         Geknechtet, blutgesogen, massakrirt,
    Verrathen, wo sich nur Profit dabei fand,
    Der Völker frommstes unter Gottes Beistand.

    [362]

    Schling! schling! – Du stachelst nur des Hungers Qualen,
         Und reizest nur zu heißrer Gier den Rachen,
    Dich sätt’gen nicht Minister, nicht die Skalen,
         Nicht freies Korn, noch andre freie Sachen.
    Schling! schling Dich fort bis zu der Grenze Malen,
         Wo des Barbaren Doppeladler wachen.
    Und da? – da heißt’s, die Schwerter aus der Scheide;
    „Die Welt hat keinen Raum mehr für uns beide.“

Empfohlene Zitierweise:
Friedrich Kapp: Reinhold Solger. In: Aus und über Amerika, Band 1. Verlag von Julius Springer, Berlin 1876, Seite 361. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kapp,_Aus_und_%C3%BCber_Amerika,_Band_1,_S_361.png&oldid=- (Version vom 1.8.2018)