Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1812 II 303.jpg

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Die Federn und die Blutstropfen, die fallen, erinnern an den Volksglauben von den Feder- Nelken, deren eine Gattung im Herzen einen dunkeln Purpurflecken hat: das, sagt man, sey ein Tropfen Blut, welchen der Heiland vom Kreuz habe hineinfallen lassen. Ferner: die Federn sollten den Weg weisen, der Blutstropfen wohl die Gedanken an den Verzauberten stets erhalten, der gleichsam abwesend war, und so führt es zu der Sage von den Blutstropfen, über welche Parcifal nachsinnt und die ihm seine Frau ins Gedächtniß rufen. S. altd. Wälder I.


3.
Das Gänsmädchen.


(Aus Zwehrn) Dies schöne Märchen stellt die Hoheit der selbst in Knechts–Gestalt aufrecht stehenden königlichen Geburt mit desto tiefern Zügen vor, je einfacher sie sind. Was ihr die Mutter zum Schutz mitgab (aus den Blutstropfen sprechen auch sonst noch Stimmen s. der liebste Roland I. 56. Vgl. auch Cl. Brentano's Gründung Prags. S. 106. und Anmerk. 45.) hat sie unschuldig verloren und der gezwungene Eid drückt sie nieder, aber noch weiß sie wind–bannende Zaubersprüche und mit stolz–demüthigen Gedanken wird sie jeden Morgen unter dem finstern Thor durch das Gespräch mit dem auch im Tod treu bleibenden Pferde erfüllt! Redende, kluge Rosse kommen sonst noch vor (vgl. Ferenand getrü Nr. 40.) in dem abgehauenen Kopf (wie in Mimir's) wohnt die Sprache fort. Es ist merkwürdig, daß die alten Norden von geopferten Pferden die Häupter aufzustecken pflegten, womit man den Feinden schaden zu können glaubte (Saxo Gramm. L.V.p. 75. Vgl. Suhms Fabelzeit. I. 317.); wie man Menschenköpfe auf Zinnen steckte. Ein Todtenkopf der singt, in der Eyrbiggia Sage 219. Ausgebreitet ist der Zug von den goldenen und silbernen Haaren der Schönheit und ein Zeichen königlicher Abkunft (vgl. Nr. 28.), so auch das Kämmen derselben, wie sich die Sonne gleichsam beim Scheinen strählt. Die unglücklichen Königstöchter kämmen und spinnen eben so häufig, als sie Vieh hüten.

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 2 (1815). Berlin 1815, Seite V. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1812_II_303.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)