Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1812 I 029.jpg

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zwölf Jahre stumm sitzen, um seine Brüder zu erlösen. Es geschah aber, daß der König auf einer Jagd durch den Wald ritt, und als er an dem Baum vorbei kam, stand sein Hund still und bellte. Der König hielt nun, sah hinauf und war ganz verwundert über die Schönheit der Prinzessin. Er rief ihr zu, ob sie seine Gemahlin werden wollte. Sie schwieg aber still und nickte nur ein wenig mit dem Kopf. Da stieg der König selber hinauf und hob sie herunter, setzte sie vor sich auf sein Pferd und brachte sie heim in sein Schloß, wo die Hochzeit prächtig gehalten ward. Die Prinzessin sprach aber niemals ein Wort und der König glaubte sie sey stumm. Doch hätten sie vergnügt mit einander gelebt, wenn nicht die Mutter des Königs gewesen wäre, die fing an die Königin bei ihrem Sohn zu verläumden: „es ist ein gemeines Bettelmädchen, das du aus der Fremde mitgebracht hast, die hinter deinem Rücken die schändlichsten Dinge treibt.“ Weil die Königin nun sich nicht vertheidigen konnte, ließ sich der König verführen, und glaubte ihr endlich und verurtheilte sie zum Tod. Da ward ein großes Feuer angemacht im Hof, darin sollte sie verbrannt werden. Schon stand sie in den Flammen und die spielten an ihrem Kleide; da war eben die letzte Minute von den zwölf Jahren verflossen, man

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1812). Berlin 1812, Seite 29. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1812_I_029.jpg&oldid=- (Version vom 17.8.2016)