Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1856 III 257.jpg

aus Wikisource, der freien Quellensammlung
Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.

Sprichwörter 3, 154 den Wettlauf zwischen dem Hasen und der Schnecke.

Ein Has belacht ein arme Schneck
und sprach „du liegst so tief im Dreck,
soltest eim Hund also entlaufen,
ja in der Pfützen würdst ersaufen“.
Da sprach die Schneck „weil du nun mich
verachtest so gar jämerlich,
deß ich mich nicht versehen hett,
wil mit dir laufen in die Wett.
Der Fuchs sol stecken uns das Ziel,
zwen Schritt zuvorn dir geben wil,
so sol man sehen heut diesen Tag
was die Schneck und der Has vermag.“
Dem gschahe also, er (der Hase) nam drei Schritt,
da blieb er sitzen, achtets nit.
Ein süßer Traum ihn da ergriff,
wol in die dritte Stunde schlief,
gedacht derhalben „darfst nit Eil,
gehe gmach und nimm dir wol der Weil.“
In dem seumet sich nit die Schneck,
in einem Gang kroch für sich weg,
biß sie zum erst erlangt das Ziel:
da fehlt dem Hasen noch gar viel.
Die Schneck kam bei Scheinen der Sonnen:
da hetts dem Hasen angewommen.

Mancher sich auf sein Sterk verläßt,
ist warlich darumb nit der best:
schläft deste länger, seumet gern;
man sagt „mit Mußen kompt man fern.“

Waldis wird wohl das Märchen nicht aus mündlicher Überlieferung, sondern aus einem ältern Fabeldichter geschöpft haben. Trefflich ist der Zug daß der schnelle Hase, von seiner Sorglosigkeit und seiner natürlichen Neigung still zu sitzen verleitet, einschläft, und die langsame Schnecke Zeit genug hat vor ihm anzulangen. In einer andern Erzählung, bei Waldis S. 306b (4, 79), die in der Entwicklung

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 257. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_257.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)