Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1856 III 310.jpg

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England, Schottland und Ireland.

Unter den Nachkommen der alten celtischen Bewohner, also unter den Ersen in Ireland, den Galen in Schottland und den später eingewanderten, von den Angelsachsen westlich nach Wales und Cornwales zurückgedrängten celtischen Kimbern oder Kymern lebt ein großer Reichthum von mündlicher Überlieferung. Solche Erzählungen womit sie noch gegenwärtig, vorzüglich in den Winterabenden, sich unterhalten, heißen Mabinogion Märchen[1], oder hên Chwedlau, alte Sagen, hên Ystoriau, alte Geschichten. Irische Sagen hat Keating (History of Ireland) mit oft wörtlicher Benutzung alter metrischer Annalen bekannt gemacht[2]; insofern sie sich scheinbar noch an die Geschichte binden, gehören sie nicht völlig hierher, doch ist auch vieles darin schon ganz märchenhaft. Z. B. ein König hat Pferdeohren, und jeder der ihm die Haare schneidet, muß sterben, damit es immer ein Geheimnis bleibt. Einmal erbarmt sich der König eines jungen Mannes den das Loos zum Haarschneiden getroffen hatte, und schenkt ihm das Leben, doch muß er ewiges Stillschweigen angeloben. Indessen drückt ihn das Geheimnis so sehr


  1. Tales for the instruction of youth übersetzt Davies brittish Druids S. 147. Dagegen Lhuyd (cat. mss. brit. S. 262). Mabinogi (sing.), hoc vocabulum quid sibi velit, hodie non constat. libellus autem sic inscriptus fabulosas quasdam historiolas tradit de optimatibus aliquot Britannis antiquioribus. quod vidimus exemplar in quatuor partes distributum est. Oven citirt in seinem Wörterbuch diese Mabinogion sehr häufig z. B. v. dadiain, wo er daraus eines Kessels gedenkt, in welchem alles, was hineingethan wird, wieder Leben bekommt. Unter dywyn steht eine Sage von Artus aus derselben Quelle. Die neueste Nachricht darüber (von Cohen) im Quarterly Review 1819. 41, 94. The Welch have their Mabonogion or juvenile amusements of undoubted authenticity and antiquity. Some of them are extant in manuscript, others live only in the traditions of the common people. A translation of the former was prepared for the press by Mr. William Owen, to whom Cymric literature is so greatly indebted, but the manuscript infortunately lost before publication. These tales possess extraordinary singularity and interest, and a complete collection of them in the original language is, as Mr. Southey remarks, a desideratum in British literature.
  2. Sechs Stücke daraus von W. Lindau übersetzt im Morgenblatt Jahrg. 1810. Nr. 237. 242. 248. 261. Jahrg. 1812. Nr. 78. 104.
Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 310. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_310.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)