Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1856 III 348.jpg

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Es leidet keinen Zweifel daß bei den heutigen Griechen Märchen erzählt werden, Pouqueville bemerkt es ausdrücklich. Auch ihre Volkslieder epischen Inhalts, wie wir sie aus einer noch ungedruckten Sammlung kennen, deuten darauf; sie haben übrigens dem Geiste nach manches Ähnliche mit den serbischen und morlakischen. Ganz kindlich wird z. B. in einem erzählt, wie Charon die Seelen der Verstorbenen nach der Unterwelt führt. Die Jungen gehen vor ihm her, die Alten schleppen sich nach, die kleinen Kinder hat er am Sattel festgebunden. Bei dieser traurigen Fahrt trauert die Natur mit, die Berge ragen dunkel und düster in die Höhe. Als sie bei einem Quell anlangen, bitten die Reisenden den Führer „lieber, kehr hier ein, laß uns bei der Quelle weilen, damit die Alten aus der Flut trinken können, die Jungen spielend mit Steinen werfen, und die Kinder sich die Blumen einsammeln“. „Nein“, antwortet der Alte, „die Mütter könnten kommen und ihre Kinder sehen, dann wären sie nicht wieder zu trennen“. Vergl. Göthe Kunst und Alterthum 4, 49, 265. Von einem andern epischen Volkslied, das Bartholdi in Griechenland aufgenommen und in seiner Reise bekannt gemacht hat, ist die Übereinstimmung mit einem altdeutschen Gedicht in den Altd. Wäldern 2, 181 gezeigt.


Der Orient.

In dieser Übersicht sind Sammlungen, welche die asiatische Literatur darbietet, nicht angeführt aus dem einfachen Grunde, weil sich hier kein so naher Zusammenhang äußert und das Einzelne jedesmal an seiner Stelle angemerkt ward. Armuth nöthigte übrigens nicht dazu, im Gegentheil, dieses Fach ist hier reich besetzt. Nur das Vorzüglichste ist zu berühren.

Zuerst begegnen uns die in der Mitte des 16ten Jahrh. (1548) zusammengefügten Erzählungen, der arabischen Tausend und einen Nacht, sowohl durch Gallands Übersetzung bekannt, als durch die Nachträge von Chavis und Cazotte, deren echten Grund jedoch erst Caussin de Perceval in seiner Fortsetzung[1] ans Licht gebracht


  1. Darin auch Bakthiar Nameh, die Geschichte der zehn Vezire, die Knös arabisch, Ousely persisch herausgegeben hat.
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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 348. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_348.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)