Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1856 III 351.jpg

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persischen Quellen genommen ist[1]. Dagegen rührt die treffliche Fabelsammlung des Bidpai (Hitopadesa) ursprünglich aus Indien, ist aber in verschiedene orientalische, und fast in alle europäische Sprachen übersetzt, ins Deutsche zuletzt von Philipp Wolff (Stuttgart 1837 zwei Bändchen). Sie entfernt sich in der Anlage schon von dem was wir Märchen nennen, da es auf eine moralische Lehre abgesehen, wenigstens die Geschichte darauf hingewendet ist. Ein echt indisches, mit deutschen übereinstimmendes Kindermärchen ist in den Altd. Wäldern (1, 165–67) nachgewiesen (Anmerkung zu Nr. 144); ein anderes bei der Sage vom Armen und Reichen (Nr. 87)[2]. Tartarische Überlieferungen enthalten the Relations of Ssidi Kur in Bergmanns nomadischen Streifereien Bd. 1 (Anmerkung zu Nr. 92 und 104). Calmückische daselbst Thl. 3. und 4. Schön ist es z. B. darin, wie herumirrende Kinder das Mark aus einem Knochen kindlich austheilen (4, 75); überhaupt hat die dort beschriebene Wanderung des Bruders und der Schwester etwas märchenhaftes.

Ein chinesisches Märchen ist in den Anmerkungen zu dem Armen und Reichen (Nr. 87) ausführlich erzählt, und zum Schluß wollen wir ein japanisches das sich bei Kämper (über Japan von Dohm 1, 149) findet, mittheilen.

Das schönste von allen fliegenden Insecten, das auch in Japan selten gesehen und darum von den Mädchen aufbewahrt wird, ist eine schmale halbrunde Nachtfliege. Ihre durchscheinenden Flügel sind mit blauen und goldenen Streifen der Länge nach geziert, und sind glänzend wie ein Spiegel. Alle Insecten die Nachts fliegen, verlieben sich in diese wunderbare Schönheit. Sie hält sie aber dadurch ab, daß sie zu jedem sagt „geh erst hin und hole mir Feuer, dann will ich dich lieben“. In blinder Hast fliegen sie zu der Kerze und beschädigen sich so sehr daß sie an kein Wiederkommen denken.


  1. Auch in den Talmudsagen der Juden liegt manches märchenhafte (vergl. Anmerk. zu Nr. 62), wie man besten aus dem Auszug von Christoph Helwig (Gießen 1811) sehen kann, so sehr sie auch manchmal ins Abgeschmackte übergehen.
  2. Ueber die Fabeln und Erzählungen der Hindu ist nachzusehen Dubois description of the charakter, manners and customs of the people of India. Lond. 1817. c. 10. 11.
Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 351. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_351.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)