Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1856 III 389.jpg

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bleibt als müßiger Zuschauer links stehen. Die Mutter spricht „lieber Joro, was stehst du da und siehst zu? setze dich an den Tisch und verzehre dein Essen.“ Joro ergreift seine Schale, läßt sich nieder und spricht „unsere Eltern haben unsern Erbantheil an der Schüssel unter uns getheilt: jetzt werden sie auch unsern Erbantheil an Vieh unter uns theilen. Ihr, meine Brüder, habt ein Versehen begangen, indem keiner von Euch den Eltern die Vorkost als Opfer dargebracht hat: wenn ich nicht esse, was hat das zu bedeuten?“ Mit diesen Worten überreichte er dem Vater die Speise, der in seiner Unschuld eben davon genießen will, als Joro die Schale zurück zieht und sie der Stiefmutter darbietet. Aus Schamgefühl will sie davon essen, aber Joro nimmt auch ihr die Schale weg, schüttet einen Theil ihres Inhalts in den großen Kessel und spricht „dies war von jeher der allgemeine Familienkessel;“ unmittelbar darauf platzt dieser auseinander. Einen Theil schüttet er auf den Dreifuß, der in Stücke zerspringt. Einen Theil wirft er dem Haushund an den Kopf, der in zwei Theile sich spaltet. Den Rest genießt Joro selbst (ihm als einem Gott scheint er nicht gefährlich) und bringt etwas Röthliches daraus gepreßtes seinen bei den Drachenfürsten befindlichen Schwestern zum Opfer. Es kommt in deutschen Märchen mehrmals vor daß ein Vater seine drei Söhne aussendet um ihre Fähigkeiten zu prüfen: aber eine Ausführung die dieser ähnlich wäre, finde ich nirgend.

Näher steht uns eine andere Erzählung (S. 141). Gessers Gemahlin, Tümen Dschirghalang, wird von einem Riesen geraubt, der sie auf seine hoch gelegene, von einer Mauer ohne Thore umgebene Burg bringt. Gesser begibt sich dahin. Als er angelangt ist, nimmt er die Gestalt eines Bettlers an und ruft mit lauter Stimme „wo bin ich hin gekommen?“ Die Frau, als sie seine Stimme hört, springt auf, aber der Riese hatte vor den rechten und linken Thürpfosten zwei Spinnen von der Größe eines zweijährigen Kalbes gesetzt, die sie verschlingen sollen, wenn sie den Versuch macht hinaus zu gehen, und die jetzt den Rachen öffnen, als sie an der Thüre erscheint. Gesser schlägt die Thiere mit seinem schwarzen Stecken todt und läßt ihre Stelle von zwei ähnlichen aber falschen Spinnen einnehmen. Die Frau fällt dem Gesser weinend um den Hals, er aber spricht „ist das nicht was man ein Weib von kurzem Zügel (wenig Ueberlegung) nennt? wenn du weinst, wird das nicht der Riese bemerken?“ Er vernimmt von ihr daß dieser der gerade auf der Jagd ist, als Wahrsagungszeichen

Empfohlene Zitierweise:
Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 3 (1856). Dieterich, Göttingen 1856, Seite 389. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1856_III_389.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)