Seite:Kinder und Hausmärchen (Grimm) 1857 II 020.jpg

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90.


Der junge Riese.


Ein Bauersmann hatte einen Sohn, der war so groß wie ein Daumen und ward gar nicht größer und wuchs in etlichen Jahren nicht ein Haarbreit. Einmal wollte der Bauer ins Feld gehen und pflügen, da sagte der Kleine „Vater, ich will mit hinaus.“ „Du willst mit hinaus?“ sprach der Vater, „bleib du hier, dort bist du zu nichts nutz: du könntest mir auch verloren gehen.“ Da fieng der Däumling an zu weinen, und um Ruhe zu haben, steckte ihn der Vater in die Tasche und nahm ihn mit. Draußen auf dem Felde holte er ihn wieder heraus und setzte ihn in eine frische Furche. Wie er da so saß, kam über den Berg ein großer Riese daher. „Siehst du dort den großen Butzemann?“ sagte der Vater, und wollte den Kleinen schrecken, damit er artig wäre, „der kommt und holt dich.“ Der Riese aber hatte mit seinen langen Beinen kaum ein paar Schritte gethan, so war er bei der Furche. Er hob den kleinen Däumling mit zwei Fingern behutsam in die Höhe, betrachtete ihn und gieng ohne ein Wort zu sprechen, mit ihm fort. Der Vater stand dabei, konnte vor Schrecken keinen Laut hervor bringen und dachte nicht anders als sein Kind für verloren, also daß ers sein Lebtag nicht wieder mit Augen sehen würde.

Der Riese aber trug es heim und ließ es an seiner Brust saugen, und der Däumling wuchs und ward groß und stark nach Art der Riesen. Nach Verlauf von zwei Jahren gieng der Alte mit ihm in den Wald, wollte ihn versuchen und sprach „zieh dir

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 2 (1857). Göttingen 1857, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_(Grimm)_1857_II_020.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)