Seite:Kinder und Hausmärchen Grimm 1843 I 072.jpg

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wieder hinein, und deckte es mit dem Deckbettchen zu. Sie vergaß aber auch das Rehchen nicht, gieng in die Ecke, wo es lag, und streichelte ihm über den Rücken. Darauf gieng sie ganz stillschweigend wieder zur Thüre hinaus, und die Kinderfrau fragte am andern Morgen die Wächter ob jemand während der Nacht ins Schloß gegangen wäre; aber sie antworteten „nein, wir haben niemand gesehen.“ So kam sie viele Nächte, und sprach niemals ein Wort dabei; die Kinderfrau sah sie immer, aber sie getraute sich nicht jemand etwas davon zu sagen.

Als nun so eine Zeit verflossen war, da hub die Königin in der Nacht an zu reden und sprach

„was macht mein Kind? was macht mein Reh? Nun komm ich noch zweimal und dann nimmermehr.“

Die Kinderfrau antwortete ihr nicht, aber als sie wieder verschwunden war, gieng sie zum König und erzählte ihm alles. Sprach der König „Ach Gott, was ist das! ich will in der nächsten Nacht bei dem Kinde wachen.“ Abends gieng er auch in die Kinderstube, aber um Mitternacht erschien die Königin wieder und sprach

„was macht mein Kind? was macht mein Reh? Nun komm ich noch einmal und dann nimmermehr.“

Und pflegte dann des Kindes, wie sie gewöhnlich that, ehe sie verschwand. Der König getraute sich nicht sie anzureden; aber die folgende Nacht wachte er wieder, da sprach sie abermals

„was macht mein Kind? was macht mein Reh? Nun komm ich noch diesmal und dann nimmermehr.“

Da konnte sich der König nicht zurückhalten, sprang zu ihr, und sprach „du kannst niemand anders sein, als

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Brüder Grimm: Kinder- und Haus-Märchen Band 1 (1843). Göttingen 1843, Seite 72. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Kinder_und_Hausm%C3%A4rchen_Grimm_1843_I_072.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)