Seite:Leo Kriegserinnerungen 15.jpg

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aussen wieder angesehen habe. Wir wurden in einen grossen Bodenraum geführt, auf dem Stroh ausgelegt war, das sollte das Lager für die Einquartierung sein. Irgendwo stand ein Zuber mit Wasser, in dem sollten sich die waschen dürfen, die es nötig fänden. Später in Frankreich würden wir manchesmal mit einem solchen Quartier recht zufrieden gewesen sein; aber hier bäumte sich doch wenigstens in uns Einjährigen etwas dagegen auf, besonders gegen die Ruppigkeit des Hausherrn oder der Hausfrau oder beider. Wir waren nur zwei Einjährige, ausser[1] mir mein Freund Otto Schnitzler, ein wohlhabender junger Mensch (seine Eltern waren früh gestorben), der sonst weder von seiner Zeit noch von seinem Gelde einen nützlichen Gebrauch machte, aber als Kriegssoldat, besonders später im Felde, seine besten Eigenschaften, eine nie versagende Frische und Heiterkeit und Hilfsbereitschaft, hervorkehrte. Wir beiden griffen zu folgendem Mittel. Wir putzten und bürsteten uns blank (Extraanzüge waren natürlich nicht mitgenommen), kauften uns neue Handschuhe und liessen uns bei der Frau vom Hause melden. Sie nahm uns auch wirklich an, wir stellten uns als ihre Hausgenossen und Gäste vor, sagten garnichts über die Wohnung, aber machten eine Viertelstunde lang nach Kräften liebenswürdige und gebildete Conversation und küssten ihr zum Abschiede cavaliermässig die Hand. Kaum waren wir wieder oben auf dem Strohboden, als ein Hausmädchen kam, uns auf die Seite nahm und hinunterführte, wo uns die Frau vom


  1. Vorlage: auser
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Friedrich Leo: Kriegserinnerungen an 1870–71. Göttingen: W. Fr. Kaestner, 1906, Seite 15. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Leo_Kriegserinnerungen_15.jpg&oldid=- (Version vom 18.8.2016)