Seite:Lucians Werke 0285.jpg

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Sostratus. Wenn also Einer von einem Andern, dem er nicht widersprechen darf, weil er die Gewalt in Händen hat, genöthigt wird, einen Dritten zu tödten, wie zum Beispiel ein Scharfrichter, wenn er es auf des Richters, ein Trabant, wenn er es auf des Despoten Geheiß thut, wen wirst du für die Tödtung verantwortlich machen?

Minos. Natürlich den Richter oder den Despoten. Das Schwerdt selbst einmal gewiß nicht: denn dieses dient als bloßes Werkzeug dem Belieben desjenigen, der als erster Urheber der Tödtung zu betrachten ist.

Sostratus. Schön Minos, daß du dich meines Gleichnisses noch durch eine Zugabe angenommen. Eben so, wenn mir Einer aus Auftrag seines Herrn eine Summe Goldes oder Silbers überbringt, wem bin ich als dem wohlthätigen Geber zu danken verpflichtet?

Minos. Dem Uebersender: denn der Ueberbringer ist nur dessen Diener.

3. Sostratus. Siehst du nun, wie ungerecht du zu verfahren im Begriffe bist, da du uns, die wir bloß die Befehle der Clotho als ihre Diener ausgeführt, bestrafen, diejenigen hingegen ehren und belohnen willst, die in gleichem Dienste fremdes Gute gethan haben? Denn den Einwurf wird wohl Niemand machen wollen, daß es möglich gewesen wäre, sich dem Zwange eines allgewaltigen Verhängnisses zu widersetzen.

Minos. O Sostratus, bei genauerer Betrachtung der Dinge wirst du finden, daß noch manches Andere geschieht, was mit der Vernunft nicht zum besten übereinstimmen will. Da ich übrigens sehe, daß du ein eben so schlauer Advocat,

Empfohlene Zitierweise:
Lukian von Samosata: Lucian’s Werke. Stuttgart: J. B. Metzler, 1827–1832, Seite 285. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Lucians_Werke_0285.jpg&oldid=- (Version vom 1.8.2018)